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Die zerbrochene Uhr

Titel: Die zerbrochene Uhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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in den Keller, von dem aus der alte Gang zum vorderen Flügel führt, wo jetzt die Schule ist. Früher jedenfalls, als der Durchgang noch benutzt wurde.«
    »Und? Ist er reingegangen? Und dringeblieben?«
    Die Wäscherin schüttelte energisch den Kopf. »Das hätte auch nichts genützt. Die Tür zum Keller war ja abgeschlossen. Das ist sie immer.«
    »Abgeschlossen, aha«, sagte Wagner und machte sich in Gedanken eine Notiz. »Und wenn man dennoch in den Keller gelangt? Vielleicht über einen anderen Weg? Gewiß gibt es noch eine Treppe von den inneren Fluren. Wie ist es mit dem alten Gang hinüber zur Schule? Wird der noch benutzt?«
    »Aber nein. Wozu? Der ist natürlich auch abgeschlossen. Glaubt Ihr, wir wollen all die Jungs hier auf dem Hof herumrennen haben?«
    »Auch abgeschlossen, so. Und wer hat den Schlüssel?«
    Das wußte die Wäscherin nicht. Gewiß die Domina, vermutete sie. Oder der Klosterschreiber, ja, wohl eher der Klosterschreiber. Andererseits, die Domina habe gerne alles selbst in der Hand, auch die Schlüssel, sogar zu den Kellern, ja, das habe sie gerne. Auf Wagners Liste der Verdächtigen stand die vornehme, alte Domina nicht gerade ganz oben, so hörte er nur mit halbem Ohr zu. Er mußte häufiger, als ihm lieb war, hochgestellten, also sehr redseligen Personen Bericht erstatten und beherrschte die Kunst des aufmerksam ergebenen Gesichts, während er an etwas ganz anderes dachte, und so plapperte die Wäscherin eine Weile weiter darüber, was die Domina, für die sie eine Mischung aus ehrfürchtigem Respekt und verstohlenem Spott zeigte, gerne hatte und was nicht.
    Es gab also einen Gang. Natürlich, es hätte ihn sehr gewundert, wenn es keinen gegeben hätte. Abgesperrt? Auch das wunderte ihn nicht. Aber was abgesperrt war, konnte auch wieder geöffnet werden. Der Klosterschreiber würde ihm am besten Auskunft geben können.
    „… unpassende Bekanntschaften«, drang das Plappern plötzlich in seine Gedanken. »Bei so einem Lehrer sollte man doch annehmen, daß er sich nur mit guten Lutheranern abgibt. Aber tatsächlich«, sie senkte ihre Stimme noch mehr und beugte sich näher zu Wagner, »ich hab es selbst gesehen. Er ging in die Werkstatt und blieb eine ganze Weile drinnen.« Triumphierend sah sie ihn an.
    »Werkstatt? Was für eine Werkstatt?«
    »Hört Ihr mir denn nicht zu? Wenn Ihr nicht wissen wollt, was ich weiß – ich habe besseres zu tun, als hier … «
    »Aber nein, bitte, geht nicht. Was Ihr sagt, ist mir äußerst wertvoll. Jedes Wort. Es ist nur, Ihr wißt so viel, und mein Kopf, nun ja, mein Kopf ist nicht so schnell wie Eurer.«
    Das ließ den Grimm in ihrem Gesicht schlagartig schwinden, und sie beugte sich bereitwillig wieder näher. Womöglich noch ein wenig näher als zuvor. Wagner roch eine Mischung von Schweiß, Melisse und Kampfer.
    »Die Werkstatt von dem Hugenotten«, flüsterte sie.
    »Von welchem Hugenotten?« flüsterte Wagner zurück.
    »Von dem Uhrmacher. Ihr kennt die Werkstatt bestimmt, sie ist in dem Haus an der Ecke zur Großen Johannisstraße, schräg gegenüber der Fronerei. Da ist der feine Monsieur Donner hingegangen, als ich zufällig auf dem gleichen Weg war, wirklich nur ganz zufällig. Ich ging zu meiner Cousine, die hatte große Waschwoche, da helfe ich immer aus, die Domina hat extra Erlaubnis gegeben. Meine Cousine ist die Wirtin vom Schwarzen Lamm am Fischmarkt, ein außerordentlich vornehmes Gasthaus, Ihr kennt es gewiß nicht. Jedenfalls ging er in die Werkstatt von diesem Hugenotten. Was er da drin gemacht hat, weiß ich nicht, aber was macht man schon in einer Uhrmacherei? Auf alle Fälle hat er mit dem Uhrmacher geredet, und ich bin mir ziemlich sicher, daß er ihm auch was gegeben hat. Ziemlich sicher, jawohl. Das konnte ich sehen, die Fensterscheibe war ganz sauber, was man bei einem Hugenotten nicht unbedingt annehmen sollte. Aber warum ist er da hingegangen? Als ob es nicht genug tüchtige lutherische Uhrmacher in unserer Stadt geben würde. Ich jedenfalls … «
    »Gewiß, Ihr würdet so etwas nicht tun, sehr löblich, in der Tat. In eine Werkstatt also«, Wagner bemühte sich, seine Erregung zu verbergen, »aber bestimmt wißt Ihr nicht, wie dieser hugenottische Uhrmacher heißt!«
    »Das glaubt Ihr! Ich weiß es aber doch. Kodaar, heißt der, aber mit einem ›G‹ vorne und einem ›d‹ hintendran. Weil er aus Frankreich gekommen ist, spricht man das so, die Franzosen haben alle so komische Namen.«
    »Da habt Ihr völlig

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