Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
fortgeschrittenen Alters mit wichtigem Gesicht. Er trug einen Stoppelbart und einen dunkelblauen Turban. Seine Haut war wettergegerbt.
»Sind die zum Essen da?«
»Das wäre eine ziemliche Verschwendung.«
»Was macht man dann mit ihnen?«
»Na, Gras schneiden.« Der Alte klang pikiert. »Meine kleinen Lieblinge halten jede Wiese in Schuss.«
Taramis zog die Augen zusammen und versuchte hinter der ernsten Miene des Händlers den Schalk auszumachen. Er sah aber nicht aus, als sei er zu Scherzen aufgelegt. Vielleicht ließ sich der missglückte Gesprächsbeginn durch einen unverfänglichen Themenwechsel in einen fruchtbareren Gedankenaustausch überführen.
»Sagt mal, guter Mann, warum liegt eigentlich diese Rauchwolke über der ganzen Insel?«
Das Gesicht des Alten bekam rote Flecken. »Wollt Ihr Euch über mich lustig machen?«
Taramis wechselte einen Blick mit Marnas, der ebenfalls nur verblüfft schaute. Also wandte er sich wieder dem Ameisenhändler zu. »Wie Ihr wohl gemerkt habt, sind wir fremd …«
»Das ist nicht zu übersehen«, fuhr ihm der Händler über den Mund. »Ich will Euch sagen, warum wir uns selbst Tag und Nacht einnebeln. Es ist wegen der Fischköpfe. Seit die dagonisische Flut über die Inselreiche Beriths hinwegrollt, verbrennen wir das getrocknete Laub des Drachenzungenbaumes. Im Volksmund wird Dun schon die ›Blaue Insel‹ genannt, weil sie vom Meer aus … Na, den Rest werdet Ihr Euch hoffentlich selbst zusammenreimen können.«
»Äh … Nicht ganz.«
Der Alte stöhnte.
»Was hat der Rauch mit der dagonisischen Plage zu tun?«
»Herr, wirf Hirn herunter! Was wisst Ihr denn überhaupt? Die Grätenmänner haben plötzlich gelernt, Luft zu atmen. Wie das kommt, weiß keiner. Aber auf Dun können sie das nicht. Wegen des Rauchs. Er verklebt ihre Kiemen und sie müssen ersticken, wie es sich für einen ordentlichen Fisch gehört.«
»Und Amphibien? Mamoghs, Donnerkeile, Drachenkröten?«
»Atmen den Qualm wie Weihrauch.«
Taramis pfiff durch die Zähne. Hatten die Dunesen etwa eine Methode gefunden, den dagonisischen Vormarsch aufzuhalten? Der aufregende Gedanke brachte ihn zum eigentlichen Grund ihres Besuchs zurück. »Kennt Ihr hier zufällig einen Kirrie?«
»Die leben in Höhlen. Ganz ohne Gras. Deshalb kauft er auch nie eins meiner Tierchen.«
»Wer?«
»Jagur.«
Taramis riss überrascht die Augen auf. »Ihr habt von ihm gehört?«
»Jeder hier kennt den Malonäer. Ihr solltet übrigens Euer Haupt bedecken, sonst trocknet Euch die Sonne noch den letzten Verstand aus dem Hirn.«
»Wisst Ihr, wo ich ihn finde?«
»Ja.«
»Ach ja? Wo denn?«
»Das sage ich nicht.«
»Und warum nicht?«
»Ihr habt meine Grasschneiderameisen beleidigt.«
»Soll ich …?«, begann Gabbar.
Taramis legte ihm die Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf. Dann lächelte er wieder den mürrischen Alten an. »Falls ich etwas Ungebührliches gesagt habe, entschuldige ich mich dafür.«
»Kauft mir lieber hundert Tiere ab. Dann sage ich Euch, wo Ihr den Kleinen findet.«
»Warum sollte ich das tun, wenn ihn hier jeder kennt?«
»Weil die anderen teurer sind.«
Taramis seufzte. Er öffnete seinen Gürtelbeutel. »Ihr seid ein geschäftstüchtiger Mann.« Mit versteinerter Miene drückte er dem Ameisenhändler einen dagonisischen Goldpim in die Hand.
Der Alte musterte die Münze argwöhnisch, biss hinein und steckte sie mit einem zufriedenen Grinsen ein. Anstatt nach der Herkunft des seltenen Geldstückes zu fragen, langte er hinter sich. Seine Hand kam mit einem Käfig zum Vorschein, den er dem Kunden reichte. »Sind bereits abgezählt.«
Taramis nahm die Tiere in Empfang. »Und wo finde ich nun den Kirrie?«
Der Händler streckte den Arm aus. »Immer die Straße runter. Am Brunnen biegt Ihr links in die schmale Gasse ab. Wenn es nicht mehr weitergeht, seid Ihr da. Danke für den Einkauf.«
»Ich habe Euch einen ganzen Goldpim gegeben. Bekomme ich nichts zurück?«
»Die Auskunftsgebühren sind in Dunis horrend. Ich habe Euch schon einen guten Preis gemacht. Viel Freude auch mit den kleinen Krabblern.«
»Danke«, knurrte Taramis. »Ich lasse sie mir schmecken.«
Der Blender
D ie Viecher sind für den hohlen Zahn«, brummte Gabbar, als sie vor dem Brunnen in die Seitengasse wechselten. Er hielt den Käfig hoch und beobachtete das lebhafte Krabbeln der beängstigend großen Ameisen.
»Ich ess sie doch nicht wirklich. Hab dem ungehobelten Burschen nur eins auswischen wollen«,
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