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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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erklärte Taramis. Er deutete zum Ende der Gasse, wo ein ockerfarbenes Haus mit flachem Dach stand. »Das muss es sein.«
    Wenig später klopfte er mit dem Stab Ez an eine braune Rundbogentür, aus der in dichtem Abstand die spitzen Köpfe geschwärzter Eisennägel herausragten.
    Danach geschah erst einmal nichts.
    Taramis hämmerte stärker gegen das Holz. Dabei sprang die Tür einen Spaltbreit auf.
    Von drinnen erscholl ein rollender Bass. »Es ist offen. Bringt die Ballen rein und stellt sie in die Vorhöhle.«
    »Hat er Höhle gesagt?«, wunderte sich Taramis.
    »Für mich hörte es sich wie Hölle an«, sagte Gabbar.
    »Eher wie Halle«, schlug Marnas vor. »Jedenfalls dürfte er das Vestibül meinen. Für Kirries sieht jeder Raum wie eine Höhle aus.«
    Taramis öffnete die Tür nun ganz. Dahinter lag tatsächlich eine rechteckige, weiß getünchte, mit Steinplatten ausgelegte Eingangshalle, in der allerlei Kisten und Fässer standen. Offensichtlich diente sie dem Hausherrn als Lager. Im Erdgeschoss gingen an der gegenüberliegenden Wand zwei Türen ab. Die linke war halb geöffnet. Über eine Holztreppe zur Rechten gelangte man zu einer Galerie mit einem Paar weiterer Türen.
    »Auf ein Wort, Herr Jagur«, rief Taramis.
    »Ich bin in meinem Arbeitszimmer. Geradeaus links«, scholl es durch die Halle.
    Taramis bedeutete seinen Begleitern, ihm zu folgen. Obwohl kein erkennbarer Anlass dazu bestand, bewegten sie sich lautlos durch die Halle – zeridianische Jäger konnten einfach nicht anders. Einer nach dem anderen betraten sie das Arbeitszimmer des wohl einzigen Kirrie auf der Insel Dun.
    In dem etwa fünf mal sieben Schritte großen Raum herrschte ein heilloses Durcheinander. Ohne erkennbare Ordnung türmten sich auf dem Dielenboden Woll-, Stoff- und sogar Strohballen sowie weitere Kisten und Fässer. An einer Wand zur Rechten standen Reisigkörbe voller dürrer, langer, schmaler Blätter. Auf Tischen und in Regalen reihten sich Gläser mit getrockneten Vögeln, eingelegten Eiern, mancherlei Früchten und einer mannigfaltigen Auswahl an Kleinwerkzeugen. Durchmischt war das Durcheinander mit Büchern, Schriftrollen, Zinntellern, mehr oder minder leeren Krügen und halb abgenagten Knochen. Durch diese überraschenden Einsprengsel und aufgrund beklagenswerter Lichtverhältnisse drängte sich Taramis eher der Eindruck auf, in einer Bärenhöhle zu stehen und nicht in einer Handelsvertretung. Was Marnas von den Kirries behauptet hatte, schien zu stimmen. In ihrem unterirdischen Reich war jeder Raum eine Höhle. Insofern hatte Jagur es sich also gemütlich eingerichtet.
    Die Besucher hielten wie Motten auf einen hellen Fleck zu, der ob seiner Lage in den Tiefen des Kontors auf die Existenz eines Fensters schließen ließ.
    Endlich geriet eine Gestalt mit gedrungenem Körper und großen abstehenden Ohren in ihr Blickfeld. Sie hob sich durch eine Unmenge von weißen Haaren an so ziemlich allen Stellen des Kopfes deutlich von der Umgebung ab. Ihre erdfarbene Tunika aus grobem Wollstoff hingegen verschmolz förmlich mit dem Halbdunkel unterhalb des Tisches. Erst wieder die kräftigen, behaarten Beine und die nicht minder haarigen Füße boten einen gewissen Lichtblick – die Haut des kleinen Mannes hatte die fahle Farbe eines Höhlenlurchs. Er kauerte wie ein sprungbereiter Kobold auf einem schlichten Hocker.
    Weil Taramis und seine Gefährten sich immer noch lautlos wie Jäger auf der Pirsch bewegten, hatte Jagur ihr Erscheinen nicht bemerkt. Leise summend füllte er mit einer kleinen messingfarbenen Schütte ein weinrotes Pulver in Ledersäckchen ab. Mehrere der Beutel reihten sich bereits neben einer Feinwaage, wie man sie auch zum Wiegen von Goldstaub benutzte. An dem Tisch lehnte eine zweischneidige Axt enormer Größe, jedoch von schlichterer Machart als Gabbars Waffe.
    »Friede«, sagte Taramis und erwartete, dass der Kirrie nun erschrocken herumfahren würde.
    Tat er aber nicht. Seelenruhig füllte er sein Säckchen voll, verschnürte es sorgfältig und stellte es in die Reihe neben der Waage. Erst danach drehte er sich auf dem Hocker herum und lächelte die Zeridianer aus seinem vollbärtigen Gesicht freundlich an. Es war recht faltig, was bei Kirries nur selten Rückschlüsse auf das Alter zuließ. Sie kamen mit Falten auf die Welt, wurden mit Falten alt und gingen mit Falten ins Grab.
    »Friede. Ihr seht nicht so aus, als wolltet Ihr mir Wolle liefern.« Seine volle Stimme klang wie die eines

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