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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Gefangenen alle vier Stunden aus den Löchern. Wie viele große Schwaller, so besaßen auch diese amphibischen Riesenschildkröten eine Art biologischen Magnetismus, um ihre Jungen durch den Weltenozean zu tragen. Zahme Tiere hielten mit dieser körpereigenen Schwerkraft ihre Reiter und andere Lasten fest. Solange man keine großen Sprünge machte, konnte man also ohne Schlaufen oder sonstige Vorkehrungen auf ihnen laufen.
    Erst wenn man auf dem Rücken der Kreatur stand, offenbarten sich ihre enormen Ausmaße. Der von natürlichen Hohlräumen durchsetzte Panzer glich einem flachen Hügel. In Schwallrichtung erhob sich auf einem kräftigen Hals das gigantische, gehörnte Drachenhaupt. Seitlich tauchten in gemächlichem Takt die beflossten Vorder- oder Hinterbeine auf, mit denen sich das Wesen durch den Äther bewegte.
    Als Taramis das aus den Kammern drängende Häuflein Überlebender sah, verspürte er ohnmächtigen Zorn. Jeder zehnte Tempelwächter war beim Überfall auf Jâr’en gefallen, nur etwa sechzig lebten noch. Sie sahen niedergeschlagen aus, waren barfuß und hatten bis auf ihre Tuniken nichts mehr auf dem Leib.
    In deutlichem Kontrast zur Erbärmlichkeit der gedemütigten Elitekämpfer stand das martialische Äußere der Feuermenschen. Allein durch ihre Größe und Kraft wirkten sie unüberwindbar. Hinzu kam ihr Rüstzeug, das dem der Tempelgarde überlegen war. Einige Dagonisier trugen Waffen, die Taramis nie zuvor gesehen hatte: kleine, auf Holzschäfte montierte Bogen. Marnas nannte sie Armbrüste. Er hatte auf Jâr’en erlebt, wie die Bolzen, die man mit ihnen verschoss, mühelos Brustpanzer durchschlugen.
    In der Wachmannschaft des Schwallers bildeten die Armbrustschützen das stärkste Kontingent. Unter ihrer strengen Bewachung mussten sich die gefesselten Zeridianer am hinteren Rand des länglichen Schildes beiderseits des Stummelschwanzes hinhocken und ihre Notdurft verrichten. Für Taramis war das jedes Mal eine Tortur. Die Schmerzen in der Seite raubten ihm fast die Besinnung. Sein Verband war blutig. Ihn zu erneuern wurde Marnas nicht erlaubt.
    Und wehe, wenn ein Verletzter wankte oder sich sonst wie eine Blöße gab! Dann machten sich die dagonisischen Wachen einen Spaß daraus, ihn so lange niederkauern zu lassen, bis ihn die Kräfte verließen und er vom Panzer fiel. Das Verlassen des Schwallers, ganz gleich, aus welchem Grund, galt jedoch als Fluchtversuch und wurde entsprechend geahndet. Hilflos mussten die Zeridianer mit ansehen, wie einer ihrer Kameraden einen Schwächeanfall erlitt und abrutschte. Die fischköpfigen Armbrustschützen spickten ihn kurzerhand mit Pfeilen.
    Als Taramis dem Leichnam nachsah, entdeckte er vor der irisierenden Sphäre einer Insel die winzige Silhouette eines Mamoghs. Die Riesenschwallechse folgte der Drachenkröte in einiger Entfernung. Allon! , formten seine Lippen lautlos den Namen des geflügelten Gefährten.
    Am Nachmittag rief das Signalhorn die Gefangenen abermals nach oben. Diesmal geriet Taramis ins Visier der Peiniger. Ein mehr als neun Fuß großer Antisch mit auffallend blasser Zeichnung und kehliger Nasalstimme zwang ihn mit gezücktem Schwert zum »Nachsitzen«. Die anderen Kameraden mussten zusehen.
    Bald lief ihm der Schweiß in Strömen über den Körper. Die frische Stichwunde brach wieder auf, und die Schmerzen ließen Sterne vor seinen Augen tanzen. Ein Schwindelanfall brachte ihn zum Wanken. Er kippte nach hinten, breitete hilflos die Arme aus, sah schon, wie die Scharfschützen auf ihn anlegten …
    Plötzlich packte ihn eine unsichtbare Hand und zog ihn auf den Panzer zurück, wo er kraftlos zusammenbrach.
    Marnas’ Mundwinkel zuckten.
    Der Antisch baute sich in seiner ganzen furchterregenden Größe vor dem Hüter von Jâr’en auf. Seine wurmartigen Barteln zitterten. »Warst du das, alter Mann?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet, Herr.«
    Der Dagonisier zeigte mit dem Schwert auf Taramis. »Dieser Schwächling hat bisher nur deinetwegen überlebt. Gib zu, dass du gerade deinen Willen benutzt hast, um ihn vor dem Absturz zu bewahren.«
    »Wenn es mein Geist war, der Euch den Spaß verdorben hat, dann schneidet ihn doch heraus und bestraft ihn.«
    Die vorstehenden Augen des Feuermenschen verengten sich. »Du scheinst darauf erpicht zu sein, alsbald ins Haus der Toten zu gehen. Noch so eine Eigenmächtigkeit und ich erfülle dir deinen Wunsch.«
    »Seid Ihr sicher, damit im Sinne Eures Befehlshabers zu handeln?«, erwiderte

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