Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Menschheit gehen muss, wird deine Aufgabe ganz verstanden sein. Doch so viel will ich dir sagen: Indem du den Nebelwächtern deine Unterstützung verwehrst, neigt sich die Waage nicht zum Licht.«
Taramis seufzte. »Was genau erwartet Ihr von mir?«
»Zunächst musst du wieder zu Kräften kommen. Wir sollten außerdem herausfinden, was die Dagonisier vorhaben.«
»Um ihren Plan zu vereiteln. Das sagtet Ihr bereits. Dazu brauchen wir aber unsere Freiheit.«
»Die Flucht wäre der nächste Schritt. Du sagtest, der Hohepriester und seine Tochter befänden sich in der Gewalt der Kirries?«
»Meine Mutter hat gehört, wie König Dov sie vor Purgors Schwert rettete und mitnahm. Vermutlich giert er nach Lösegeld.«
»Möglicherweise misstraut der kleine Bär auch nur seinen dagonisischen Waffenbrüdern. Einem verbreiteten Gerücht zufolge kennt Eli das Geheimnis des Gartens der Seelen. Dov könnte diese Fama aus reinem Selbsterhaltungstrieb gegen seine Verbündeten ausspielen.«
»Ihr meint, der Hohepriester weiß, welcher Baum zu wem gehört? Dann bräuchte er ja nur ein paar Stämme umzuhauen, und wir wären alle Unruhestifter auf einen Schlag los.«
»Ich denke nicht, dass Eli sich zu so einem Sakrileg hinreißen ließe. Es ist ohnedies zweifelhaft, ob er diese Fähigkeit besitzt. Der Überfall auf Jâr’en zeigt nichtsdestotrotz, was ein Gerücht zu bewirken vermag.«
»Das wirft ein ganz anderes Licht auf die Entführung des Hohepriesters. Solange seine vermeintliche Macht die Fischköpfe abschreckt, werden sie ihren Spießgesellen aus dem Kirrieland nichts tun.«
»Das Gleiche gilt für uns. Könnten wir Eli unter dem Schutz einer neu erstarkten Tempelgarde wieder nach Jâr’en zurückbringen und ihn dort unangreifbar machen, müssten sogar die Dagonisier ihn fürchten. Was meinst du, lohnt es sich, dafür zu kämpfen?«
Taramis nickte ungeachtet des pochenden Kopfschmerzes. »Ich stimme Euch zu. Xydia hat mir ein Vermächtnis hinterlassen, und ich werde mich dieser Aufgabe nicht verweigern. Ihre Lebensaufgabe soll zu der meinen werden. Nur eins noch.«
»Was?«
»Ich kämpfe nach meinen eigenen Regeln.«
Marnas musterte seinen Schüler mit ernster Miene. Schließlich nickte er. »Also schön. An ein paar Dinge solltest du dich aber doch gewöhnen. Sie könnten dir das Leben retten.«
»Und was wäre das?«
»Die Nebelwächter haben einen Gruß, der zugleich unser Erkennungszeichen ist. Lege wie zum Schwur Zeige- und Ringfinger der Linken zusammen und spreize den Daumen im rechten Winkel ab.«
»Man schwört aber mit der anderen Hand.«
»Bin ich der Lehrer oder du?«
»Entschuldigt, Meister.«
»Damit kannst du auch gleich aufhören. Klassenunterschiede werden im Bruderbund nicht geduldet.«
»Ihr meint, ich soll du zu Euch sagen?«
»Aus deinem Mund hört sich das wie ein Schimpfwort an. Es ist aber ein Ausdruck brüderlicher Vertrautheit. Nur so haben wir die Stürme der Zeit überdauert. Und jetzt mach das Zeichen – und zwar mit links, damit dein Gegenüber es von einem Schwur deutlich unterscheiden kann.«
Taramis formte mit den bezeichneten drei Fingern einen Winkel. »Richtig so?«
»Ja. Du musst die Hand nicht heben. Hauptsache, der andere sieht das Erkennungszeichen.«
»Und das genügt?«
Marnas stöhnte leise. »Nicht so ungeduldig, junger Wächter. Etwas Wichtiges fehlt noch.«
»Eine Grußformel?«
»Das war jetzt nicht schwer zu erraten. Sprich mir nach: ›Mögen deine Tage ohne Nebel sein.‹«
»Ist das schon alles?«
»Ich gebe dir die Gelegenheit, über den ungemein vielschichtigen Sinn dieser Worte einige Wochen nachzudenken. Danach darfst du deine törichte Frage zurückziehen. Hast du dir die Formel bis hierhin gemerkt?«
»Mögen deine Tage ohne Nebel sein.«
»Und die deinen voller Sonnenschein.«
»Lautet so die korrekte Antwort?«
»Es ist die einzig richtige.«
»Habe ich verstanden.«
»Schlimm, wenn es nicht so wäre.« Marnas bot Taramis erneut von dem Wasser an. »Vor uns liegen schwere Prüfungen. Du musst zu Kräften kommen. Trink, junger Nebelwächter.«
Die Insel der Verdammten
D ie Enge in den Panzerkammern zerrte an jedermanns Nerven. Taramis kam sich vor wie ein Holzwurm unter der Borke. Wegen der mit seiner Verletzung einhergehenden Müdigkeit schlief er jedoch die meiste Zeit, und das Gefühl der Beklemmung tobte sich an anderen Tempelwächtern aus.
Um die Drachenkröte von Exkrementen sauber zu halten, trieben die Wachen ihre
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