Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Regentin verhelfen?«
Die Kiefer des Komanaers malmten.
»Ich warte auf eine Antwort, Hauptmann. Ihr könnt entweder auf der Stelle sterben oder uns im Kampf für Eure Freiheit unterstützen. Was ist Euch lieber?«
Oban seufzte. »Ihr lasst mir kaum eine Wahl. Doch ich warne Euch. Lebesi ist eine gefährliche Frau, die man nicht ungestraft hintergeht.« Er winkte den Recken herbei, den Taramis zuvor aus dem Sattel befördert hatte. »Das alles war ein furchtbares Missverständnis, Nagoc. Diese Männer sind Gesandte auf einer geheimen Mission. Ich muss sie dringend in den Palast bringen. Kann ich mich auf deine Verschwiegenheit verlassen?«
»Selbstverständlich, Hauptmann.«
»Gut. Dir übertrage ich die Aufgabe, die Leute zu beruhigen, die das hysterische Weib wahrscheinlich gleich anschleppen wird. Doch zuvor ladet die Leichen auf den Wagen, damit ich sie dem Statthalter der Dagonisier übergeben kann. Es wird mich einige Überredungskunst kosten, ihm den Vorfall zu erklären. Du und deine Männer schafft schleunigst den Segontenkadaver weg und beseitigt sämtliche Spuren des Kampfes.«
Nagoc bestätigte den Befehl und kehrte zu den anderen Palastwachen zurück.
»Ihr seid ein schlauer Fuchs«, lobte Taramis den Hauptmann.
Oban lächelte grimmig. »Das wird sich noch zeigen. Jedenfalls können meine Männer jetzt behaupten, ich hätte sie belogen. Vielleicht rettet das wenigstens ihren Hals.«
Das Mädchen mit den roten Haaren
D er Nebeneingang zum Palastbezirk war streng bewacht. Taramis saß mit Oban auf dem Kutschbock und spielte den wortkargen Bauern, während der Hauptmann dem Posten eine phantasievolle Geschichte auftischte. Als Beweis präsentierte er die beiden Leichen. Marnas schlug das blutbefleckte Segeltuch so zurück, dass von Natsar nur die Beine zum Vorschein kamen. Zuvor hatten Gabbar und Masor dem General noch einmal zu verstehen gegeben, wie sich das kleinste Zucken auf seine Gesundheit auswirken würde.
»Dank dieser tapferen Landleute bin ich der Verschwörerbande auf die Schliche gekommen«, erklärte Oban und deutete auf Taramis. »Der Mann hier hat die toten Antische gefunden. Er und seine Leute werden uns helfen, die Rebellen dingfest zu machen. Betet zum Himmel, dass es uns schnell gelingt. Andernfalls werden die Dagonisier nämlich uns bestrafen, und was das bedeutet, habt Ihr sicher mitbekommen.«
Der Torposten erbleichte. Rasch winkte er das Gespann durch. Wie Taramis inzwischen vom Hauptmann der Palastwache wusste, verbreiteten sich die Berichte über die Grausamkeiten der Dagonisier wie ein Lauffeuer im Königreich der hundert Stunden. Niemand hatte Lust, den Zorn der neuen Besatzer heraufzubeschwören.
Oban dirigierte den Wagen durch den großen Park. Der Palast von Peor bestand aus einer großen Zahl schneeweißer Gebäude, die über das ganze Areal verstreut lagen. Viele wirkten mit ihren Kuppeln und Bögen sehr verspielt. Auch der neue Statthalter von Dagonis residierte in einem der prachtvollen Bauten.
»Habt Ihr schon einen Plan, wie wir unseren Gefangenen unbemerkt zur Regentin bringen?«, fragte Taramis den Hauptmann.
»An Lebesis Leibwächtern kommt niemand vorbei.«
»Wollt Ihr wirklich, dass ich Euer Wort auf die Probe stelle?«
»Das wird nicht nötig sein. Um diese Tageszeit empfängt die Regentin gewöhnlich ihre Besucher im Thronsaal. Er grenzt an die Halle des Kronrates. Beide Räume liegen in unterschiedlichen Bereichen des Palastes, die von einer starken Mauer getrennt sind. Der einzige Weg von einem Abschnitt in den anderen ist eine schmale Tür, die von Gardisten bewacht wird.«
»Und wie gedenkt Ihr uns durch dieses Nadelöhr zu bringen?«
»Zunächst werdet Ihr allein zur Regentin vorgelassen. Dafür kann ich sorgen. Eure Gefährten und der Antisch müssen in der Ratshalle warten, bis Ihr Lebesi überzeugt habt.«
Taramis knirschte mit den Zähnen. Der Plan behagte ihm nicht. »Ihr wollt also, dass ich mich Euch ausliefere.«
»Seht es doch so: Wenn die Regentin Euch festnehmen lässt, haben Eure Freunde noch eine Chance zu fliehen.«
»Das bezweifle ich. Woher weiß ich, dass Ihr Natsar nicht befreien wollt?«
Der Hauptmann lächelte. »Mein Wort ist alles, was ich Euch geben kann. Ihr werdet mir wohl oder übel vertrauen müssen.«
Auf Nebenwegen erreichte der Wagen einen Torbogen, der in eine Kaskade von Innenhöfen führte. Sie verliefen an der Seite eines der vier Flügel des Elfenbeinpalastes – so nannte Oban den wie ein
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