Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
ist keine Option für ihn. Er muss und wird zu einem anderen Mittel greifen, um die Kinder des Lichts in die Knie zu zwingen.«
»Und was könnte das sein?«
»Irgendetwas, das wir ihm nicht zutrauen. Eine brutale Verzweiflungstat. Vielleicht ein noch schlimmeres Sakrileg als alles, was er bisher schon getan hat. Ich weiß es nicht.«
»Dann sollten wir herausfinden, wer es uns sagen kann«, bemerkte Selvya so gleichmütig, als spräche sie vom nächsten Vollmond.
Ratlose Blicke irrten durch die Runde.
Taramis räusperte sich. »Khan Bahadur ist persönlich nach Barnea gereist, um mich zu töten …« Er verstummte grübelnd.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Marnas.
»Eigentlich sah es so aus, als wollten die Drachenmänner nur mich ermorden«, antwortete Jagur anstelle seines Freundes. »Taramis haben sie mit Samthandschuhen angefasst. Der Khan ist erst ungehalten geworden, nachdem unser Held seinen Sohn umgebracht hatte.«
»Du hast was getan?«, entfuhr es Marnas.
»Es war ein Versehen«, sagte Taramis gequält. »Deshalb kommen wir übrigens zu dir. Du hast Bahadur besiegt. Die Gesetze verlangen, dass er dich respektiert. Wenn du mich zu ihm begleitest, wird er mir nichts tun. Das ist doch richtig, oder?«
»Streng genommen schon. Die Drachenmänner sind nichtsdestotrotz sehr erfinderisch darin, ihre Stammesregeln neu auszulegen. Davon abgesehen gibt es eine Menge von Gründen, warum ich nicht mit dir nach Kesalonien gehen kann.«
Taramis schluckte. »Habe ich nicht deutlich genug erklärt, worum es in dieser Sache geht?«
»Doch, hast du. Allerdings bin ich nach Samo gekommen, um Frieden zu finden. Ich will nie wieder kämpfen.«
Die Ablehnung traf Taramis hart. Er blickte in die Runde seiner Freunde. »Könntet ihr uns bitte allein lassen?«
Die Gefährten erhoben sich und verließen den Raum in Richtung Küchengeschoss.
»Meister«, begann Taramis. Was er ihm zu sagen hatte, steckte ihm wie ein Kloß im Hals. »Du bist mir wie ein Vater gewesen …«
»Und du mir wie ein Sohn. Deine Mutter und ich haben uns geliebt.«
»Ich habe zu dir aufgeschaut«, fuhr Taramis unbeirrt fort, »und wollte immer so sein wie du. Erinnerst du dich noch, wie wir in der Drachenkröte nach Zin geschwallt sind? Ich war schwer verletzt, und du hattest mich, so gut es ging, zusammengeflickt.«
»Natürlich entsinne ich mich.«
»Damals erfuhr ich, dass du dem Rat der Nebelwächter angehörst. Man kann, wie du mich später lehrtest, aus dem Bruderbund nicht austreten. Wer die Regeln der Gemeinschaft achtet, gehört ihr ein Leben lang an. Hast du je dagegen verstoßen?«
»Niemals.«
»Dann frage ich dich, warum du die Kinder des Lichts in ihrer schwersten Stunde im Stich lässt.«
»Ich habe vor vielen Jahren den Speer an dich weitergegeben.«
»Als Hüter von Jâr’en vielleicht, aber nicht in dem Bund, dem wir beide durch unser heiliges Versprechen angehören. Du selbst hast mir auf der Reise nach Zin den Eid abgenommen. Die Seher von Luxania hätten den Kindern des Lichts zwei Wege aufgezeigt, erklärtest du mir damals, den des Untergangs und den der Erhebung. Mit ihrem Schwur würden die Nebelwächter für die Bekämpfung der Plage eintreten. Du hattest mir Xydia, Shúria und nicht zuletzt dich als Vorbilder hingestellt, und ich bin eurem Beispiel gefolgt. Willst du mir ernsthaft erzählen, das alles sei nur leeres Gerede gewesen? Und das jetzt, wo die Saat der Finsternis sich ausbreitet und die dagonisische Plage ihr wahres Gesicht zeigt?«
»Das ist nicht fair, Taramis.«
»Ich erinnere mich, vor vielen Jahren genauso reagiert zu haben. Hast du mich deshalb von der Angel gelassen?«
»Nein.«
»So ist es. ›Indem du den Nebelwächtern deine Unterstützung verwehrst, neigt sich die Waage nicht zum Licht‹, hörte ich aus deinem Mund. Leider muss ich dir heute dasselbe sagen.«
Marnas seufzte. »Ich hatte befürchtet, dass es nirgends auf dieser Welt einen Ort gibt, an dem man sich vor seiner Vergangenheit verkriechen kann.«
»Heißt das, du wirst mich zum Khan nach Kesalonien begleiten?«
»Ja. Sofern wir die anderen Gründe aus dem Weg räumen, die mich hier festhalten.« Ein lautes Klopfen an der Haustür ließ Marnas innehalten. Stirnrunzelnd sah er seinen Schüler an und fügte hinzu: »Wenn es nicht schon zu spät ist.«
»Was bedeutet das jetzt wieder?«
Von unten drang Gabbars Stimme herauf. »Da steht eine Abordnung vor der Tür.«
»Lass mich raten«, antwortete Marnas. »Es
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