Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
unentwegt um Ari. Sicher dürstete der Khan nach Rache für das Leid, das Taramis ihm zugefügt hatte.
»Land in Sicht!«, hallte plötzlich Reibuns Stimme durch die Kiemenkapsel.
Sämtliche Blicke folgten dem Arm des Hakkorers. Shúria, Lauris und Simli klebten förmlich an der Scheibe, und auch Ischáh, ihr Mann und die beiden Mitglieder der Besatzung starrten angestrengt hinaus.
Shúria zitterte vor Aufregung. Die von Reibun entdeckte Scholle war eher klein. »Ist das Kesalonien?«
»Das werden wir herausfinden«, antwortete die Ganesin.
Von den Kirries hatte Ischáh viele Kniffe gelernt, wie man einen Donnerkeil unsichtbar machte. Dazu gehörten das Spiel mit Licht und Schatten und die natürliche Tarnung Narimoths, der dem Blick aus manchen Winkeln kaum Angriffsfläche bot. Nur so war es ihr möglich gewesen, ihren Schwaller bisher unbemerkt durch das Inselgebiet zu schleusen, in dem es von Drachenreitern und ihren Äthersalamandern nur so wimmelte.
Auf der Suche nach der Hauptinsel schwallten sie an einer lang gestreckten, seltsam gemusterten Scholle vorbei. Im Meer rundherum sichtete Reibun zwei Drachenkröten, einen gigantischen Ellipsoiden und mehrere Ätherschlangen.
»Besser, wir verschwinden hier«, sagte Keter und lenkte Narimoth in den Schatten der Insel.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Shúria.
»Sieht wie ein Heerlager aus«, brummte Simli. Keter und Almin nickten zustimmend.
Shúria sah ihn verständnislos an.
Der Kirrie spreizte seine knubbeligen Hände. »Nomaden schlagen ihre Zelte auf, wo es ihnen gerade gefällt. Was du auf der Insel gesehen hast, ist dagegen militärisch streng geordnet wie ein Heerlager.«
»Glaubst du, Khan Bahadur plant einen Krieg?«
»Die verschiedenartigen Schwaller lassen auf eine gemischte Kampftruppe schließen. So ähnlich sah es seinerzeit aus, als wir Kirries mit den Dagonisiern paktiert hatten. Vielleicht hat Gaal hier neue Verbündete gefunden.«
»Das war mir schon klar, als die Drachenleute unser Gut auf Barnea überfallen haben. Ich hatte nur nicht erwartet, dass dieses Bündnis so …« Sie suchte nach dem richtigen Wort.
»Breit aufgestellt ist?«, schlug Simli vor.
Shúria nickte. »Sobald wir Ari befreit haben, muss er uns zu Taramis führen. Sollte mir etwas im Lager des Khans zustoßen, schwallt ihr ohne mich nach Jâr’en zurück und berichtet dem Hohepriester davon.«
»Wie kommst du darauf, dass wir dich alleine gehen lassen?«, fragte Ischáh. Keter und die anderen murmelten zustimmend.
»Ich will nicht, dass ihr euer Leben unnötig aufs Spiel setzt.«
»Ach, und du darfst das?«
»Ich würde für meinen Sohn alles tun.«
»Wir auch. Und für dich, unsere Schwester.«
»Ischáh, jetzt sei doch vernünftig! Dies ist nicht euer Kampf. Außerdem, wenn sie dich erwischen, wer soll dem Hohepriester dann von dem Truppenaufmarsch berichten?«
Die Ganesin funkelte ihre Freundin an. Shúria hatte ihr den Wind aus den Segeln genommen.
»Du bist meine kleine Schwester«, sagte Lauris, »und Ari mein Neffe. Wir gehen gemeinsam zum Khan. Vielleicht hört er eher auf einen Mann.«
Sie schnappte nach Luft, wollte abermals widersprechen, doch dann las sie in seinen Augen, wie ernst es ihm war. Dankbar nickte sie. »Es ist schön, einen großen Bruder zu haben. Hoffentlich muss ich meine Entscheidung später nicht bereuen.«
Erst nach Einbruch der Dunkelheit näherte sich Narimoth dem Hauptlager der Nomaden. Lautlos trugen ihn seine Schwallblasen durch die Nacht. Er glitt über einen See hinweg und landete im Mondschatten eines Wäldchens.
»Kurz vor Sonnenaufgang kommen wir zurück«, sagte Ischáh, als sie sich von Shúria und Lauris verabschiedete. »Solltet ihr nicht da sein, warten wir hier jede Nacht um dieselbe Zeit auf euch.«
Shúria schüttelte den Kopf. »Wenn wir bis übermorgen nicht wieder aufgetaucht sind, dann schwallt nach Jâr’en und erzählt dem Hohepriester, was wir in Kesalonien gesehen haben.«
Ischáh drückte sie an sich. Auch die anderen umarmten Shúria und ihren Bruder. Jeder ahnte, dass es ein Abschied für immer sein könnte.
Nachdem Narimoth sich in den Nachthimmel erhoben hatte, machten sich die Geschwister auf den Weg zum Hauptlager der Drachenleute. Es war empfindlich kühl. Als Zeridianer konnten sie sich mit ihren feinen Sinnen mühelos im Mondlicht orientieren. Lauris achtete aufmerksam auf die Stimmen der Nacht, jederzeit zur Verteidigung bereit – Zur hatte ihm auf Jâr’en Pfeil und Bogen
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