Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
können …«
»Dafür ist später immer noch Zeit. Jetzt sollten wir aufbrechen. Unsere Mission duldet keinen Aufschub.«
»Worum geht es?«
Jagur lachte auf. »Worum soll es schon gehen, wenn dieser Mann uns Kirries braucht? Wir retten die Welt.«
8. Jâr’en
E s hatte Taramis fast das Herz zerrissen, Shúria und die Kinder nach Malon zu schicken. Er wollte bei ihnen sein, sie beschützen und sich nicht in ein neues Abenteuer stürzen. Doch ihm blieb keine Wahl.
Dabei hatte er seit der Vertreibung der Dagonisier aus Peor geahnt, dass ihm der für seine Familie ersehnte Frieden nicht vergönnt sein würde. Opferbereitschaft bis hin zur völligen Selbstaufgabe gehörte zu den unveräußerbaren Tugenden im Orden der Nebelwächter. Die alte Prophezeiung sprach von einem Tag des Scheidewegs , der das Angesicht Beriths verändern sollte so wie einst der Große Weltenbruch. Bis dahin musste er sich wohl noch auf sehr viel mehr Leiden einstellen, als der Abschied von seinen Lieben mit sich brachte.
Während der Reise zum äußeren Rand der Zentralregion benutzte Taramis öfters die neue Gabe, die Veridas im Tod auf ihn übertragen hatte. Sie zu beherrschen kam ihm wie ein akrobatischer Balanceakt vor, dessen Schwierigkeit mit der Entfernung zu Shúria zunahm. Wenn er es hinbekam, dann sah er den Sternensplitter, den sie an einem Halsband trug. Wie ein glosender Stern leuchtete er vor seinem inneren Auge. Seine Frau langsam davonziehen zu sehen, vergrößerte den Trennungsschmerz aber nur noch mehr. Schließlich gab er es auf, sich auf diese Weise selbst zu quälen.
Vier Tage benötigte Aviathan, um die Heilige Insel zu erreichen. Der kampferprobte Donnerkeil war nicht ganz so schnell wie Ischáhs Narimoth, doch kaum weniger ausdauernd. Wenn Gaal oder ein anderer Träger des Erkenntnisreifes tatsächlich die Seelenbäume seiner Gegner tötete, dann musste er dazu Jâr’en aufsuchen. In Gan Nephaschôth – dem »Garten der Seelen« – trafen die Seelenbänder sämtlicher vernunftbegabter Lebewesen Beriths zusammen. Für Taramis befand sich hier der Nabel der Welt.
»Du willst also nicht sofort auf die Jagd gehen?«, vergewisserte sich Kobet, als die bewaldete Insel in Sicht kam, ein Smaragd auf schwarzem Samt. Sein zottiger Schopf war aschefarben und die Augen ebenso grün wie der Heilige Hain. Wer sich mit runzeligen Kirriegesichtern nicht auskannte, hätte ihn und seinen älteren Bruder Tebok kaum auseinanderhalten können, wenn sie ihre Haare unter einem Helm verbargen.
Taramis schüttelte den Kopf. »Es könnten Tage oder sogar Wochen vergehen, bis sich unser Feind den nächsten Seelenbaum vornimmt. Ehe wir uns auf die Lauer legen, sollten wir einen alten Freund besuchen.«
»Du meinst den Hohepriester?«
»Im Augenblick denkt Taramis vermutlich eher an den Kater«, bemerkte Jagur lächelnd.
Die Brüder sahen ihren Kommandanten verdutzt an.
Dessen Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen. »Das Sprichwort sagt doch: ›Den frühen Vogel fängt die Katz.‹«
Tosu drehte ruckhaft den Kopf. Siaths Goldmilan leistete gerade seiner Herrin und dem Ippo Allon im hinteren Teil der Kiemenkapsel Gesellschaft.
Tebok kratzte sich die Nase. »Muss ich das verstehen?«
»Er spricht von Kater Zur «, klärte Taramis das Rätsel auf, »einem alten Kameraden von mir aus der Tempelgarde. Zur ist ein Lauscher – daher der Spitzname – und seit einigen Monaten der Hüter von Jâr’en. Der neue Hohepriester ernannte ihn zum Kommandanten der Tempelwache, nachdem Gaal bei der letzten Besetzung der Heiligen Insel meinen Freund Masor ermordet hatte. Wenn wir im Garten der Seelen auf die Jagd gehen wollen, brauchen wir Zurs Unterstützung.«
»Irgendwie habe ich Bauchschmerzen dabei«, meldete sich Siath zu Wort.
»Inwiefern?«
»Angenommen, unser Feind, der sich an den Seelenbäumen vergeht, ist tatsächlich der König von Dagonis oder sonst irgendein Seelenfresser. Dann könnte er offen in Jâr’en ein und aus gehen. Vielleicht lebt er dort sogar in Gestalt eines Priesters, Tempelwächters oder Gärtners.«
»Da ist was dran«, sagte Jagur.
Taramis nickte. »Mit anderen Worten: Wir sollten die Insel durch die Hintertür betreten.«
Aviathan glitt im Schneckentempo in den schmalen Felsspalt. Um nicht anzuecken, musste er sich auf die Seite legen. Für einen Beobachter hätte es so ausgesehen, als stünden die Menschen unter der Kiemenkapsel an einer senkrechten Wand. Wie die meisten großen Schwaller
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