Die Zeugin: Thriller (German Edition)
hinzu. »Und ich hatte Angst um dich.«
»Es ging also um mich?«
»Nein.« Sie hob die Hände, um sich zu sammeln. Dann dachte sie: Scheiß drauf, lass es raus. »Dein Job … wie das gelaufen ist, was du gemacht hast – das habe ich gehasst. Aber dich hab ich nicht gehasst, Seth. Dich hab ich geliebt.«
Seth hielt ihren Blick. Offenbar war er sich nicht schlüssig, ob er die alten Narben aufreißen sollte. »Also …«
»Ich weiß, ich hab vor dem Unfall gesagt, es ist aus. Endgültig. Deswegen verstehe ich, warum du danach weggeblieben bist. Ich respektiere das.«
Still saß er da. »Sag das noch mal.«
»Ich respektiere, dass du nicht ins Krankenhaus gekommen bist. Schließlich hatte ich Schluss gemacht.« Ihr Gesicht brannte, und nicht vom Feuer. »Aber es hat wehgetan. Wahnsinnig weh.«
Ein Aufblitzen in seinen Augen, dann metallene Ruhe. »Dein Dad hat mich nicht zu dir gelassen.«
Es war, als hätte sie ein Stein am Hinterkopf getroffen. »Mein Dad? «
»Er hat verhindert, dass ich dich besuche. Hat sogar einen Zettel ans Schwarze Brett gehängt. Ich hatte keinen Zutritt zur Station.«
Wie nach einem Fausthieb wich die Luft aus ihrer Lunge. »Nein.«
»Doch.«
»Aber in dem Polizeibericht steht, dass es nicht deine Schuld war …«
»Rory, schon als wir Kinder waren, hat mir dein Vater nicht getraut.«
Ihre Hände hingen schlaff im Schoß.
»Er war immer nett zu mir«, fuhr Seth fort. »Hat mich freundlich im Haus begrüßt. Trotzdem wusste ich es.«
Rory hielt es nicht mehr am Boden.
Sie hatte es hingenommen. Im Krankenhaus hatte sie nur einmal nach Seth gefragt und sich von ihrer Mutter mit einer knappen Erklärung abspeisen lassen. Nicht einmal angerufen hatte sie Seth, obwohl sie die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Sie war in einem Nebel aus Schmerz, Verwirrung und Erschöpfung versunken.
Sie trabte durch das Zimmer und presste die Hand an die Wand. Seth hatte recht, was die Haltung ihres Vaters betraf, auch wenn sie es sich nie hatte eingestehen wollen. Und jetzt fragte sie sich, ob ihr Dad einfach dagegen war, dass sie so viel Zeit mit einem Polizisten verbrachte. Mit dem Sohn eines Polizisten.
»Seth, ich hätte dich gern bei mir gehabt. Ich …«
»Dafür ist es jetzt viel zu spät.«
Sie schaute weg. Schattenhaft und zittrig huschte der rötliche Schimmer der Flammen über die Wände und die Decke. »Der Polizeibericht über den Unfall …« Sie zögerte. »Der Pick-up, der uns gerammt hat, wurde von einem anderen Auto gestreift.«
Das Fahrzeug hatte nicht angehalten. Ein schwarzer, älterer Geländewagen ohne Nummernschilder und Licht, der mit weit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war.
»Das war einer von Dobros Leuten«, erklärte Seth.
»O Gott, sie sind uns vom Restaurant aus gefolgt?«
»Es war eine Falle. Der Notruf war falsch.« Er schien um Fassung zu ringen, vielleicht um einen inneren Anker, um nicht weggerissen zu werden. »Ich hätte nicht weiterfahren dürfen und dich gleich nach dem Notruf aussteigen lassen sollen. Das war ein Fehler.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das ist vorbei.«
»Was …«
»Es war das Beste, was du in dieser Situation machen konntest. Nicht gut, aber am wenigsten schlimm.«
Seth stockte mit gequälter Miene. Chiba hob den Kopf und sah ihn an.
Er nickte. »Trotzdem, wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte …«
»Ich weiß.« Sie schaute ihm in die Augen. »Was ist nach meiner Abreise passiert?«
»Ich habe weitergearbeitet. Wollte die Operation unbedingt abschließen. Das war mir am wichtigsten.«
Weil ihm nichts anderes mehr geblieben war. Außerdem war er nach dem Unfall sicher nicht distanziert und kalt berechnend vorgegangen. So war er einfach nicht gepolt.
»Erzähl es mir bitte. Ich möchte es wissen«, sagte sie.
Er ließ sich Zeit. »Wir haben uns für den Undercovereinsatz mit dem ATF zusammengeschlossen. Ich hatte die Verbindungen, und die Bundespolizisten hatten die Feuerkraft. Wir haben den Ankauf einer Ladung gestohlener Automatikwaffen arrangiert. Ein Kollege vom ATF und ich sollten die Verhandlungen mit den Verkäufern unter Dach und Fach bringen.«
»Mit Dobro.«
Seth nickte. »Mit seinen Auftraggebern. Zweck des Treffens war, die Ware zu prüfen. Es war ausgemacht, dass Saco – der Typ vom ATF – und ich die Waffen anschauen, eine kurze Qualitätskontrolle machen und den Deal abschließen. Als Verstärkung hatten wir ein Spezialkommando und eine ATF -Einheit dabei.«
Sie ging wieder
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