Die Zeugin: Thriller (German Edition)
ihre Eltern in die Schusslinie gerieten.
Sie ließ sich das Haar über die Augen fallen. Gekrümmt im Griff des Regenwurms hängend, funkelte sie ihren Cousin an. »Kann sein, dass ich spinne, trotzdem bin ich noch zehnmal mehr in Verbindung mit der Menschheit als du.« Sie wandte sich an Mirkovic. »Was hat er Ihnen gesagt? Ist er an Sie herangetreten, oder umgekehrt? Hat er Ihnen verraten, dass er mit seiner Stiefschwester eine Familie gründen möchte? Wie wollen Sie das geheim halten, sobald die zwei ganz oben am Hügel ihren extrabreiten Wohnwagen aufstellen und über die Veranda einen Kristallleuchter hängen – neben dem neuen Lamborghini?«
Boone fuhr zurück. »Schnauze, du verrückte Kuh.«
Rory lachte. So hell und verzweifelt kam der Laut über ihre Lippen, dass er zischend den Rauch von Mirkovics Zigarette zu vertreiben schien.
Mirkovic musterte Boone. »Mund halten.«
Aufgebracht deutete Boone auf Rory. »Damit muss ich mich schon mein ganzes Leben lang rumschlagen.«
»Du und deine Stiefschwester, geht ihr mich nichts an. Aber bleibt ihr nicht hier. Gebt ihr kein Geld in Ransom River aus.« Mirkovics Gesicht wurde wieder beherrscht und ausdruckslos. »Hast du gesagt, zieht ihr in anderes Land.«
»Natürlich, natürlich. Rory hat sie doch nicht mehr alle.«
Mirkovic schaute ihn weiter an. »Dann machen wir weiter.« Langsam drehte sich sein Kopf in Rorys Richtung. »Bringst du uns zu dem Geld.«
»Überlassen Sie sie mir.« Um Boones Mund zuckte es. »Wir haben eine Abmachung.«
»Musst du mich nicht erinnern.« Mirkovics Augen blitzten, ehe er sich wieder Rory zuwandte. »Ist Familienangelegenheit, mische ich mich nicht ein. Aber ist wahr – dein Cousin und ich, haben wir eine Abmachung. Wollte er unbedingt.«
»Was wollte er unbedingt?« Das Lachen war ihr vergangen, und die Kälte drang immer tiefer in sie ein. Sie bohrte die Fingernägel in die Handflächen, um sich ihre Wut zu bewahren.
»Machen wir einen Film, damit dein Onkel versteht, dass er mir muss geben das Geld. Sofort. Wirst du ein Star. Wünschen sich das doch alle in Kalifornen.« Er legte ein Bein über das andere. »Danach macht Boone kleine Party mit dir.« Er zuckte die Achseln. »Bezahle ich diesen Preis, um anzukurbeln die Wirtschaft.«
»Ich brauche nur zehn Minuten«, versprach Boone.
Der Regenwurm mischte sich ein. »Wir sind hier nicht auf dem Spielplatz. Du kannst sie hinterher haben. Mr. Mirkovic hat heute noch andere Termine.«
Erneut wischte sich Boone mit der Hand über die Nase. »Gut, schafft sie rauf.« Er deutete mit dem Kinn zur Treppe. In diesem Moment läutete sein Telefon.
Der Regenwurm schleifte Rory rückwärts durchs Wohnzimmer.
Ohne den Blick von Rory zu nehmen, sprach Boone in sein Handy. »Keine Zeit.«
Rory hörte eine Frauenstimme am anderen Ende.
»Bald«, antwortete Boone. »Fahr zu Mom und hol die Kleine.«
Offenbar redete er mit Riss. Rorys Gedanken überschlugen sich. Die Kleine?
»Mir egal, was Mom meint. Sie kann dich nicht aufhalten. Schnapp dir Addie und mach dich fertig. Ich komme gleich.«
Mirkovic beugte sich vor. »Boone, mach Schluss.«
Lässig steckte Boone das Telefon weg. »Geschäftlich.«
»Stört es bloß, das Kind.«
»Riss will sie nicht bei Amber lassen. Aus Stolz.«
Addie.
Die kleine Adalyn, die sich mit Rorys Hilfe eine Tasse Wasser eingeschenkt und ihr später lachend die Ärmchen um den Hals geschlungen hatte. Das Licht im Zimmer schien auf einmal vor Rorys Blick zu pulsen. Addie war kein Tagesstättenkind. Sie war Ambers Enkelin.
Riss’ Tochter.
Und vor ihr stand Boone, der gerade seine Besitzansprüche auf das Kind geltend gemacht hatte. Boone, der seinem Leben eine neue Richtung geben wollte, der im Begriff stand, Rory zu foltern, sich die gestohlenen Millionen unter den Nagel zu reißen und sich mit seiner Stiefschwester und dem kleinen Mädchen aus dem Staub zu machen.
Er legte den Kopf schräg. »Starr mich nicht so an.« Dann trat er mit dem Stiefel gegen Rorys Knie, sodass sie im Griff des Regenwurms zusammensackte. »Rauf mit ihr.«
Der Gorilla schwenkte sie herum, und sie erhaschte einen Blick auf Mirkovic, der Boone aus merkwürdig verengten Augen anstarrte.
46
Der Regenwurm stieß Rory in den Flur, und Boone stakste voraus zur Treppe.
Addie. Vorhin bei Amber hatte Riss die Kleine keines Blickes gewürdigt. Sie war einfach ins Haus gelatscht und direkt auf Rory losgegangen. Für ihr eigenes Kind hatte sie kein Wort übrig
Weitere Kostenlose Bücher