Die Zeugin: Thriller (German Edition)
Bewaffneter. Ich wollte deutlich machen, dass es zwei sind.«
»Es ging also nicht darum, die Behörden in die Irre zu führen?«
Fassungslos starrte sie ihn an. »Meine Informationen waren richtig!«
Xavier schrieb nicht mehr mit. Die Klimaanlage sirrte. Die Neonröhren sirrten. Rorys Nerven sirrten.
Zelinski fuhr fort. »Was hatten die Bewaffneten Ihrer Meinung nach für verborgene Absichten?«
»Keine Ahnung.«
Xavier wirkte nachdenklich. »Sie sind in Ransom River aufgewachsen, nicht wahr, Ms. Mackenzie?«
Was sollte dieser Themenwechsel? »Bin hier geboren.«
»Ransom River High School? Waren Sie nicht Sportlerin?«
»Crosslauf und Leichtathletik«, antwortete Rory.
Xavier nickte. »Ich habe Basketball an der St. Joseph’s High School gespielt.«
Zelinski wandte sich seiner Kollegin zu. »Wirklich, Mindy? Willst du hier über alte Zeiten plaudern?«
Sie winkte ab. »Er ist neu in der Stadt, kennt sich nicht aus. Sie waren ein Star.«
»Es ging.«
»Das ist untertrieben.« Xavier fixierte sie weiter. Anscheinend wartete sie auf Rorys Fazit.
»Im Abschlussjahr habe ich die kalifornische Meisterschaft gewonnen.«
»Haben Sie Geschwister?«, erkundigte sich Xavier.
»Einzelkind.«
»Der Name Mackenzie kommt mir bekannt vor.«
»Ich habe Verwandte in der Stadt.«
Einen Cousin und eine Cousine. Vielleicht erinnerte sich Xavier vom Football an der Highschool an sie. Boone hatte als Tight End gespielt, wenn er nicht wegen Streitereien auf der Bank saß. Nerissa war Cheerleader gewesen. Gerüchten zufolge war sie diejenige, die den Quarterback von St. Joseph in der Nacht vor einem entscheidenden Spiel verführt, ihm Rohypnol in seine Cola mit Rum geschüttet und ihn dann high und nackt auf einer Nebenstraße vor der Stadt aus dem Auto geworfen hatte. Der Quarterback landete im Krankenhaus. St. Joseph gewann das Match trotzdem.
Allerdings hätte Rory gewettet, dass Xavier diesen Zweig der Familie wegen seiner Vorstrafen kannte. In der Luft knisterte es, als hätte oben plötzlich ein rotes M aufgeleuchtet. Sie ist eine Mackenzie. Eine von denen.
»Die Welt ist klein«, bemerkte Xavier.
»Schön zu wissen, dass Sie mir davonlaufen könnten, Aurora. Und dass es nicht dazu kommen wird.« Zelinskis Lächeln war völlig humorlos. »Können wir Ihnen was zeigen?« Er klappte sein Notebook auf und lud einen Film.
»Sie haben Aufnahmen aus dem Gerichtssaal?«
»Das Überwachungssystem zeichnet alle Abläufe im Gericht auf. In jedem Saal gibt es eine Kamera.« Er drückte auf Play.
Der Film war stumm, unscharf und grau. Staatsanwalt Cary Oberlin führte seine Befragung des Zeugen Samuel Koh durch. Beim Sprechen gestikulierte er mit der Hand. Die Stenografin tippte auf ihrem Gerät. Judge Wieland fixierte seinen Compu terbildschirm. Auf der Geschworenenbank machten alle einen aufmerksamen Eindruck.
Dann sprangen die Leute geräuschlos auf. Oberlin drehte sich um, und Wieland blickte erschrocken auf. Eine Sekunde später stürzte sich Nixon auf den Gerichtsdiener.
Krampfhaft versuchte Rory zu schlucken. Das Summen der Lampen und der Klimaanlage brachte ihren ganzen Körper zum Vibrieren.
Auf dem Monitor zwangen die Maskierten die Menschen, sich auf den Boden zu legen. Nixon fing an, laut zu zählen. Reagan bewegte sich durch die Menge. Bei vier tippte er einer Geisel mit dem Gewehrlauf auf den Rücken.
Das Verfahren war wahllos und erschreckend. Judge Wieland wurde ausgesucht und holte zittrig Luft. Langsam schob sich Reagan weiter. Nixon zählte vier, und Reagan berührte den Nächsten: Oberlin.
Rory spürte den Blick der beiden Detectives.
Reagan stapfte über Geiseln. Eins, zwei, drei, vier. Er klopfte dem dritten Mann auf den Rücken.
Rorys Magen krampfte sich zusammen. Sie wusste, was als Nächstes kam.
Sie wusste es nicht.
Nixon zählte. Reagan marschierte. Aber nicht langsam und ziellos, wie sie erwartet hatte. Er machte große Schritte. Mit sorgfältiger Berechnung legte er eine mehr als doppelt so lange Strecke zurück als zuvor. Sein Weg führte ihn direkt durch den Saal. Er stieg über mindestens fünf Geiseln. Und als Nixon vier zählte, ließ sich Reagan eine Sekunde Zeit, um die Person auf dem Boden vor ihm zu betrachten. Dann schielte er zurück zu Nixon, der das Kinn zu einem knappen, wortlosen Ja senkte.
Erst dann tippte Reagan mit dem Gewehrlauf zwischen Rorys Schultern.
Das Summen im Vernehmungszimmer füllte ihren ganzen Kopf. »Was zum Teufel …?«
Zelinski drückte auf
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