Die Zeugin: Thriller (German Edition)
Die Bewaffneten hatten draußen Komplizen. Aber sie hatten auch drinnen eine Komplizin.«
»Nicht mich.« Sie konnte den eigenen Schock und den Anflug von Panik in ihrer Stimme hören.
Xavier übernahm. »Zeig ihr den Rest.«
Zelinski drückte wieder auf Play. Der schwarzweiße Stummfilm zeigte, wie der verletzte Richter auf dem Boden lag und vor Schmerzen nach seiner Schulter griff. Mit bestürztem Gesicht wandte sich Rory an Reagan. Es war nicht schwer, ihr die Worte von den Lippen abzulesen.
Wir müssen Hilfe für ihn holen. Das …
Zelinski stoppte den Film. » Wir müssen Hilfe für ihn holen.«
Sie war sprachlos.
»Nicht ihr «, fuhr er fort. » Wir. Wenn ich die Grammatik richtig im Kopf habe, ist wir die erste Person Plural. Wir heißt ›unsere Gruppe‹. Es heißt ›unsere Seite‹. Und es heißt, dass Sie erledigt sind.«
Das war nicht nur schlimm. Es war Irrsinn.
Sie rang um Worte. »Mit wir waren alle im Saal gemeint. Judge Wieland hat dringend Hilfe gebraucht. Da habe ich nicht lange über Grammatik nachgedacht, sondern einfach gesprochen.«
Zelinski beugte sich vor wie ein Hund am Ende seiner Kette. »Sie haben mit jemandem aus Ihrem Team gesprochen. Sie waren unter Druck. Da ist es Ihnen rausgerutscht.«
»Nein.« Nachdem sie sich endlich gefasst hatte, legte sie die Hände auf den Tisch. »Ich sage kein Wort mehr ohne einen Anwalt.«
Xavier wirkte bitter enttäuscht. Langsam klappte sie ihr Notizbuch zu.
Zelinski hingegen wirkte erfreut, als hätte er gerade an einem Spielautomaten den Jackpot gewonnen. »Was waren das für verborgene Absichten?«
Xavier steckte ihren Stift weg. »Lass es, Gary.«
Damit meinte sie: keine Fragen mehr. Rory hatte sich auf ihr verfassungsmäßiges Recht berufen. Doch das konnte Zelinski nicht bremsen. Er machte seine Fragen einfach zu Feststellungen.
»Ersparen Sie sich ein langwieriges, quälendes Verfahren, Ms. Mackenzie. Sagen Sie uns, was die Bewaffneten wollten.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Vielleicht wurden Sie gekauft, um den Prozess platzen zu lassen.«
»Gary«, mahnte Xavier erneut.
»Alles nur Spekulation.« Er grinste. »Vielleicht wurden Sie bezahlt, um dafür zu sorgen, dass die Angeklagten zu Unrecht verurteilt werden.«
»Bin ich verhaftet?«, fragte Rory.
Beide blieben stumm, was auch eine Antwort war. Doch Zelinski drehte noch ein letztes Mal das Notebook und ließ den Film vorlaufen bis zu der Stelle, wo sich Rory vom Fenster abwandte und sich Nixons Befehl widersetzte.
»Was hat er zu Ihnen gesagt? Für mich sieht das nämlich aus wie eine gemütliche Unterhaltung. Fast … intim.«
Starr wie ein Stein saß Rory da.
Xavier stand auf. »Sie können gehen, Ms. Mackenzie. Aber Sie sollten sich Ihre nächsten Schritte genau überlegen.«
»Sie ist Juristin«, warf Zelinski hin. »Sie kennt sich aus. Deswegen nimmt sie sich einen Anwalt.«
Rory ertrug ihre anklagenden Blicke, ohne wegzusehen.
Schließlich winkte Detective Xavier sie zur Tür. »Gehen Sie.«
Sie rührte sich nicht. »Eins noch. Wann werden die Geschworenen morgen früh im Gericht erwartet?«
Zelinski lehnte sich zurück.
»Entschuldigen Sie, aber das muss ich rausfinden.« Sie stand auf und verließ das Zimmer.
13
Im Polizeirevier herrschte Hochbetrieb. Telefone klingelten, überall gehetzte Gesichter. Xavier und Zelinski eskortierten Rory hinaus, als hätte sie vor, wahllos Akten zu stehlen oder Fahndungsfotos von den Wänden zu reißen.
Am Haupteingang stoppte Zelinski. »Viel Glück mit dem Schweigen, Ms. Mackenzie. Macht bestimmt Spaß da draußen.«
Mit seinen gehässigen Worten im Ohr trat sie durch die Tür hinaus in den kühlen Abend.
Mitten in eine Zirkusmanege.
Grelle Lichter verdrängten den schwarzen Himmel. Schein werfer, Strahler, Fotoblitze, Fernsehkameras. Von oben richtete ein Nachrichtenhubschrauber seinen Scheinwerfer auf die Eingangstreppe und erfasste Rory. Wie Krummsäbel sausten die Schatten der Palmen über die Szenerie.
Auf dem Gehsteig drängten sich die Medienvertreter. Hinter ihnen, zurückgehalten von einer Absperrung, warteten die Schaulustigen, die sie schon beim Gerichtsgebäude gesehen hatte. Wie Rockgroupies hatten sie sich zu diesem Nebenschauplatz durchgekämpft. Was hier noch fehlte, war ein Stand, wo man Souvenirs wie Skimützen und Schrotpatronen kaufen konnte. Dann hätte sie von dem Geiseldrama wenigstens eine Balaklava übrig behalten.
Die Cops hingegen hatten ihr nicht einmal das versprochene T-Shirt
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