Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
Vom Netzwerk:
Ich bin hundertprozentig sicher, daß niemand uns auf dem Kieker hat.«

    Sie saßen zu dritt auf der Bettkante, während Kendall ihre unglaubliche Geschichte erzählte. Die beiden anderen lauschten aufmerksam; nur hin und wieder fluchte Ricki Sue leise und ungläubig vor sich hin.
    Â»Als ich Agent Braddock heute morgen zusammen mit Gibb sah, wurde mir klar, daß er mir entweder nicht geglaubt und den nächsten Verwandten angerufen hat, um eine Frau zu retten, die offenbar am Rande des Nervenzusammenbruchs steht. Oder daß – und das wäre noch viel schrecklicher – in dem hiesigen Büro des FBI Mitglieder der Bruderschaft sitzen.«
    Â»Herr im Himmel!« rief Ricki Sue aus. »Wie du’s auch wendest, du steckst bis zum Hals in der Tinte.«
    Â»Genau. Ich kann also die Polizei erst wieder alarmieren, wenn ich weit weg bin. Vorläufig scheine ich das einzige Nichtmitglied zu sein, das von der Bruderschaft und ihren schändlichen Aktivitäten weiß. Sie könnten alle im Gefängnis landen, deshalb werden sie sich an meine Fersen heften. Ich muß wohl untertauchen, bis diese Dreckskerle verhaftet, angeklagt und ohne Kaution inhaftiert sind.«
    Ihre Großmutter drückte ihr die Hand. Angst kerbte die Falten in ihrem Gesicht tiefer. »Bis dahin bist du in Lebensgefahr. Wie soll es weitergehen?«
    Â»Ich weiß nicht. Aber ich möchte, daß du mit mir kommst. Bitte, Großmutter«, flehte Kendall, als sie sah, daß die alte Dame widersprechen wollte. »Vielleicht muß ich mich monatelang verstecken. Ich will nicht meinetwegen, daß du mich begleitest, sondern deinetwegen. Sie könnten versuchen, mich durch dich zu erpressen. Du mußt einfach...«
    Ãœber eine Stunde zog sie alle Register, die alte Dame zu überreden, doch Großmutter ließ sich nicht umstimmen. »Ohne mich bist du sicherer.«
    Kendall bat Ricki Sue, Elvie Hancock zur Einsicht zu bewegen,
aber Ricki Sue nahm für die andere Seite Partei. »Du siehst die Sache falsch, Kleine, deine Oma hat recht. Färb dir die Haare, setz dir eine Brille auf, zieh dich anders an... du hast eine ganze Reihe von Möglichkeiten, dich zu verkleiden. Eine so alte Frau wie unsere Allerbeste hier kannst du schlechter tarnen.«
    Â»Außerdem«, wandte ihre Großmutter ein, »weißt du genau, daß ich daheim sterben und neben deinem Großvater und deinen Eltern beerdigt werden will. Ich könnte die Vorstellung nicht ertragen, in der Fremde unter lauter Unbekannten begra ben zu sein.«
    Kendall mißfiel es zwar, daß ihre Großmutter über ihren Tod sprach, als stünde er unmittelbar bevor, aber sie hatte dem nichts entgegenzusetzen.
    In jener Nacht schliefen sie und ihre Großmutter in einem Bett, während vom anderen Ricki Sues Schnarchen herüberdrang. Die ganzen Stunden hindurch hielt Kendall ihre Großmutter im Arm. Flüsternd erzählten sie sich von alten Zeiten. Kichernd durchlebten sie noch einmal die schönen Tage von einst. Sie sprachen voller Schmerz über den Großvater und Kendalls Eltern, an die sie sich nicht erinnern konnte. Sie kannte alle drei nur aus den Schilderungen ihrer Großmutter, die so oft und wirklichkeitsgetreu von ihnen erzählte, daß Kendall eine sehr lebhafte Vorstellung bekommen hatte.
    Â»Wenn man bedenkt, wie schlecht es damals für uns aussah, haben wir uns ganz wacker geschlagen, findest du nicht?« fragte Elvie, während sie Kendalls Hand tätschelte.
    Â»Viel besser als ganz wacker, Großmutter. Ich habe außergewöhnliches Glück gehabt, mit dir zusammen zu leben. Du hast mich mehr geliebt als die meisten Eltern ihre Kinder.«
    Â»Ich wünschte, meine Liebe wäre ausreichend gewesen.«
    Â»Das war sie!« ereiferte sich Kendall.

    Â»Nein. Wie jedes Kind hast du dich nach der Liebe und der Anerkennung deiner Eltern gesehnt, und die konnte ich dir nicht bieten.« Sie drehte sich zu Kendall um und legte ihr die kühle, trockene, altersfleckige Hand auf die Wange.
    Â»Du brauchst dich niemandem mehr zu beweisen, meine Kleine. Vor allem ihnen nicht. Du bist genau so, wie sie sich ihr Kind immer gewünscht haben – mehr als das! Sei nicht zu streng zu dir selbst. Genieße dein Leben.«
    Â»Ich glaube nicht, daß ich dazu noch viel Gelegenheit haben werde.«
    Ihre Großmutter lächelte begütigend wie eine Wahrsagerin, die

Weitere Kostenlose Bücher