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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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hatte.
    Der Unfall war eine weitere Folge der festgefressenen Wetterlage, die den Südosten des Landes mit immer neuem Regen überzog und schon zu Überflutungen geführt hatte.
    Johns grober Schätzung zufolge lagen zwischen ihnen und der Unfallstelle noch mehrere Meilen. Der Verkehr wurde gestoppt, um die Rettungsfahrzeuge durchzulassen. Die Menschen, die in die Kollision verwickelt waren, taten ihm leid, trotzdem ärgerte ihn die Verzögerung.
    Ruthie Fordham saß neben ihm auf dem Beifahrersitz. Er reichte ihr die Karte und fragte sie, ob sie eine Ausweichroute sehe. Es gebe eine, ihr Finger glitt über die bunten Linien, doch sei das ein Umweg. Er zog es vor, ein paar Meilen zusätzlich zu fahren, statt untätig herumzusitzen. Die nächste Ausfahrt nahm er also.
    Sie gelangten auf die Landstraße, die das Schicksal mit einem Baumstamm belegt hatte. Seine Entscheidung, die vereinbarte Route zu verlassen, hatte Ruthie Fordham das Leben gekostet. In dieser abgelegenen Gegend funktionierte das Autotelefon nicht, deshalb konnte er das Büro in Columbia nicht informieren. Der Polizeifunk war wegen des Unfalls bereits überlastet, und er wollte das dort herrschende Chaos nicht noch vergrößern.
    Sobald sie den Highway verlassen hatten, wollte er an einer Telefonzelle halten und anrufen. Es gab aber keine Telefonzellen weit und breit. Deshalb wußte niemand, wo sie steckten.

    Wie lange hatte man wohl in Columbia auf sie gewartet, bevor eine Suchmeldung durchgegeben wurde? Inzwischen hatten Jims Männer ihre Spur bestimmt schon bis zu dem Krankenhaus in Stephensville verfolgt. Ruthie Fordham war höchstwahrscheinlich tot. Hatte sie Familie? Weil er eine ungeduldige Entscheidung gefällt hatte, war eine Kollegin gestorben. Eine weitere Kerbe in McGraths Colt.
    Natürlich hatte der Arzt Jim über seine Verletzungen in Kenntnis gesetzt, aber mehr konnte er ihm auch nicht erzählen.
    Verdammt, Kendall Burnwood war wirklich gewitzt. Jetzt fiel John auf, daß sie keinen Hinweis hinterlassen hatte. Es gab keinerlei Fährte. Wer ihr Verschwinden erklären wollte, würde glauben, er, Kendall und das Baby hätten sich in Luft aufgelöst.
    Sie sang nun nicht mehr; er hörte die Wasserleitung in den Wänden klopfen und begriff, daß sie die Dusche angedreht hatte. Ihm blieben noch ein paar Minuten, bevor sie entdeckte, daß er wach war.
    Es war ein genialer Schachzug gewesen, ihn als ihren Ehemann auszugeben. Auf diese Weise hatte sie für ihn sprechen können, solange sein Gedächtnis verschüttet war. Aber sowie sie diese Lüge ausgesprochen hatte, war sie selbst daran gefesselt gewesen und auch damit geschickt zu Rande gekommen.
    Die Antworten auf all seine Fragen hatten beinahe der Wahrheit entsprochen. Genau wie die Schilderungen ihres Hochzeitstages, ihrer Hochzeitsnacht, Matts Affäre. Alles beruhte auf Tatsachen, einschließlich ihrem Eheleben mit Burnwood: Wenn sie da die Wahrheit berichtete, statt eine Geschichte zu erfinden, konnte sie sich nicht so leicht in Widersprüche verwickeln. Sie hatte ihn auch bei seinem wahren Namen genannt, um Versprecher zu vermeiden. Sie war wirklich gut.
    So gut, daß sich John zu fragen begann, ob er die vergangene Nacht auch nur als Schachzug auffassen sollte.

29. Kapitel
    In dieser Nacht hatte ihn schon wieder ein Alptraum geweckt. Er war weniger grauenvoll gewesen als die vorigen, aber noch beängstigend genug, um ihn aus dem Schlaf zu reißen. Rastlos und verschwitzt hatte er sich aus der nassen, klebrigen Decke gewühlt und aufgesetzt.
    Kendalls Seite des Bettes war leer, aber das beunruhigte ihn nicht besonders. Sie stand öfters nachts auf, um nach dem Baby zu sehen. Ihr ausgeprägter Mutterinstinkt weckte sie jedesmal, wenn dem Kind etwas fehlte. Manchmal ahnte sie seine Bedürfnisse sogar vorher, was ihn immer wieder in Erstaunen versetzte.
    Die Krücken unter die Achseln geklemmt, hoppelte er über den Flur ins andere Zimmer. Das Ställchen war leer, das Zimmer auch. Eine ausgesprochen unmännliche Angst und Bestürzung überfielen ihn. Hatte sie sich davongeschlichen? Den ganzen Tag hatte sie ausgesprochen still und bedrückt gewirkt, die Vorzeichen einer erneuten Flucht?
    Er wirbelte herum und rannte, falls man das rennen nennen konnte, auf Krücken ins Wohnzimmer, wo er so unvermittelt stehenblieb, daß er beinahe ausgerutscht und der Länge nach

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