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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Die Schubladen im Nachtkästchen waren leer.
    Die Dusche ging aus.
    Frustriert und voller Selbstzweifel fuhr sich John mit den
Händen durchs Haar. Was sollte er nur tun? Er mußte eine Entscheidung fällen. Schnell. Auf der Stelle.
    Kendall Deaton hatte er ganz richtig eingeschätzt – sie war eine versierte Lügnerin. Zudem war sie skrupellos und mutig genug, die gewagtesten Pläne durchzuführen, selbst wenn sie beinhalteten, daß sie mit einem Mann, der eigentlich ihr Bewacher war, mit allen Konsequenzen eine falsche Ehe führen mußte.
    Davon abgesehen war sie eine Mutter, die um das Leben ihres Kindes, ebenso wie um ihr eigenes, bangte. Sie würde jedes Risiko eingehen, um ihr Baby zu schützen.
    Aber nicht mal das rechtfertigte die Entführung eines Bundespolizisten. Sie hatte mehr Gesetze gebrochen, als ihm aus dem Stand einfielen. Es war seine Pflicht, sie den zuständigen Behörden zu überstellen. Und genau das würde er tun. Um welchen Preis auch immer.
    Er trat in den Flur. Die Tür zum Bad stand einen Spaltbreit offen. Er schlich sich so leise wie möglich heran und drückte sie vorsichtig auf. Ohne jeden Laut schwang sie auf.
    Kendall stand am Waschbecken. Sie hatte sich das Haar mit dem Handtuch abgetrocknet; jetzt stand es ihr in nassen Stacheln vom Kopf ab. Bis auf das Höschen war sie nackt. Einen Arm über den Kopf erhoben, stäubte sie Puder unter die Achsel.
    Sie summte unmelodisch und bezaubernd falsch vor sich hin.
    Er gestattete sich kein Lächeln. Er gestattete sich keinen zärtlichen Gedanken.
    Mein Gott, wie sollte er das nur durchstehen?
    Es war richtig. Es war notwendig. Aber es würde auch verdammt schwer werden, vielleicht die schwerste Aufgabe in seiner ganzen Laufbahn. In beiden Laufbahnen.
    Obwohl ihn tausend Instinkte zurückzuhalten versuchten, drängte es ihn, einen Schritt nach vorn zu machen. Er fürchtete,
sie könnte ihn im Spiegel sehen, aber sie bemerkte ihn nicht, nicht mal, als er direkt neben ihr stand. Ganz vorsichtig zog er die Krücke unter seinem Arm hervor und hielt sie gut fest. Dann packte er Kendall mit der anderen Hand am Oberarm und riß sie herum.

30. Kapitel
    Â»Was soll das heißen, sie ist verschwunden?« Gibb Burnwood nahm die Nachricht nicht gut auf. Seine Stimme war so mordlustig wie sein Blick.
    Den Anwalt der Burnwoods schien das nicht im geringsten zu beeindrucken. Mit seinen dürren, übereinandergeschlagenen Stöckelbeinen und den langen, schmalen, im Schoß gefalteten Händen wirkte Quincy Lamar wie eine Studie in Südstaateneleganz und Beherrschtheit.
    Er sah aus, als wäre er in seinem ganzen Leben noch nie ins Schwitzen geraten. Sein maßgeschneiderter Anzug saß tadellos, die Manschetten seines Hemds wurden von diamantenbesetzten Knöpfen zusammengehalten. Das Haar glänzte ölig, die Nägel waren frisch manikürt.
    Gibb wurde bei soviel Affektiertheit ganz schlecht. Er hätte kein Wort mit Lamar gewechselt, wäre der nicht der raffinierteste Strafverteidiger weit und breit, der gewiefteste, bestechlichste Anwalt, den man für Geld kaufen konnte. Ein paar der größten Halunken des ganzen Südens verdankten Quincy Lamar ihre Freiheit.
    Â»Wie ist sie entwischt? Und wann?« fragte Gibb.
    Â»Soweit ich erfahren konnte, wird sie schon über zwei Wochen vermißt.«
    Â»Zwei Wochen!« tobte Gibb. »Und wir erfahren das erst jetzt? Warum hat man uns das nicht früher gesagt?«
    Â»Das ist noch lange kein Grund, mich anzubrüllen, Mr. Burnwood. Ich habe alles an Sie weitergegeben, was ich weiß, und zwar sobald ich es erfuhr.«

    Lamars Stimme war glatt wie ein Schluck Whisky. Und genau wie das tückische Getränk wirkte sie honigweich und völlig harmlos. Doch sie vermochte die Geschworenen oder einen Gegner vor Gericht einzuspinnen und ihn unerbittlich in die Knie zu zwingen.
    Â»Mrs. Burnwood wurde in Denver in Gewahrsam genommen. Sie sollte nach South Carolina überführt werden, wo sie als Zeugin in Ihrem Prozeß auszusagen hätte.«
    Zum ersten Mal meldete sich Matt zu Wort. »Schade, daß ich mich von ihr habe scheiden lassen. Da hätte man sie nicht zwingen können, gegen mich auszusagen.«
    Â»Ich bin ziemlich sicher, daß man sie nicht zu zwingen braucht«, entgegnete Lamar glatt. Er hielt inne, um sich einen imaginären Fussel vom Ärmel zu schnipsen.

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