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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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bevor er sich auf den Rückweg begab. Und das Baby...
    Herr Jesus! Wenn er sich schon ausgetrocknet fühlte, dann mußte es Kevin noch schlimmer gehen. Er erinnerte sich, gehört zu haben, daß Babys eine höhere Körpertemperatur hatten als Erwachsene. Er preßte die Hand auf Kevins Stirn. Sie glühte: Er schien innerlich zu verbrennen.
    Augenblicklich schob sich John eine Krücke unter den Arm und richtete sich wieder auf. Mit einem Blumentopf schlug er eine Scheibe in der Haustür ein, faßte hinein, schob den Riegel beiseite und öffnete die Tür.
    Es war ihm gleichgültig, ob dadurch bei der Ortspolizei Alarm ausgelöst wurde. Er hatte nichts dagegen, festgenommen zu werden, seit er wußte, daß er kein Krimineller auf der Flucht war. Bis dahin brauchten er und das Baby vor allem Flüssigkeit.
    Es war kein großes Haus. Die Zimmer sahen schon lange nicht mehr bewohnt aus und zeigten deutliche Spuren der Vernachlässigung. Aber John hastete so schnell durch die Räume,
daß er kaum etwas wahrnahm. Innerhab weniger Sekunden hatte er die Küche entdeckt, war ans Waschbecken getreten und hatte den Wasserhahn aufgedreht. Nichts.
    Â»Verdammt!«
    Doch dann hörte er ein Klopfen, Rasseln und Zischen, und plötzlich sprudelte Wasser aus dem Hahn. Anfangs war es rostig, doch nach einiger Zeit wurde der Strahl klar. John schöpfte es mit der Hand und schluckte gierig. Dann ließ er es sich über den Nacken laufen.
    Mit der nächsten Handvoll benetzte er Kevins Kopf. »Besser so? Kühler?« Er wusch die roten Babywangen ab.
    Aber Kevin brauchte die Flüssigkeit vor allem innerlich. Plötzlich ging John auf, daß er nichts hatte, um dem Kind das Wasser einzuflößen. Kendall gab ihm manchmal Wasser oder Saft aus einem Fläschchen zu trinken, aber natürlich hatte John nicht daran gedacht, eine Flasche mitzunehmen. In den Schränken standen Gläser, aber wenn er versuchte, Kevin das Wasser aus einem Glas zu geben, dann würde er sich vielleicht verschlucken. Das Kind konnte nur saugen, wie also...
    Ohne lange nachzudenken, hielt er den Zeigefinger unter den Wasserhahn. Dann fuhr er mit der tropfenden Fingerspitze an Kevins Mund und preßte sie auf die kleinen Lippen. Augenblicklich begann Kevin zu saugen.
    Das Gefühl war fremdartig und irgendwie beunruhigend, aber zugleich eigenartig befriedigend. »Nicht gerade Muttermilch, was, mein Kleiner?« murmelte er, während er den Finger erneut naß machte und Kevin das Wasser wieder ablutschen ließ.
    John fragte sich, was seine Freunde und Kollegen wohl denken würden, wenn sie ihn so sähen. Wahrscheinlich würden sie ihren Augen nicht trauen.
    Und Lisa? Vergiß es. Lisa hatte ihn als selbstsüchtigen Hurensohn
bezeichnet, weil er sich geweigert hatte, mit ihr ein Kind zu zeugen. Er hatte sich sogar geweigert, auch nur darüber zu diskutieren. An dieser Auseinandersetzung war ihre Beziehung endgültig zerbrochen.
    Â»Meine biologische Uhr läuft langsam ab«, hatte sie eines Abends verkündet.
    Â»Dann zieh sie wieder auf«, knurrte er hinter seiner Zeitung hervor.
    Sie schleuderte ein Kissen auf ihn. Er ließ die Zeitung sinken, denn er ahnte, daß sie kurz vor der Entscheidungsschlacht standen, dem Waterloo ihrer Beziehung. Sie hatte das Thema schon öfter angeschnitten, doch er war jedesmal ausgewichen. Diesmal griff sie direkt an.
    Â»Ich möchte ein Baby, John. Und ich möchte, daß du der Vater bist.«
    Â»Ich fühle mich geschmeichelt, aber nein, danke. Ich will kein Baby. Hab’ nie eins gewollt. Und werde nie eins wollen.«
    Â»Warum nicht?«
    Â»Dafür gibt es tausend Gründe.«
    Sie vergrub sich tiefer im Sessel, wie ein Soldat, der sich in seinem Schützengraben verbarrikadiert und sich für den Kampf Mann gegen Mann bereit macht. »Ich hab’s nicht eilig. Fang einfach an.«
    Â»Erstens«, sagte er, »kann das nicht funktionieren. Wir sind beide viel auf Reisen und selten daheim.«
    Â»Ich würde Erziehungsurlaub nehmen. Was ist das nächste Hindernis?« Ihre kecke Antwort irritierte ihn.
    Â»Also, genug...«
    Fast hätte er gesagt, daß er sie nicht genug liebte. Er war der festen Überzeugung, daß jedes Kind es wenigstens verdient hatte, von zwei Menschen gezeugt zu werden, die sich liebten.
    John war noch vor seinem zweiten Geburtstag selbst zum
Scheidungsopfer

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