Die Zeugin
damit?« fragte sie. »Mit deinem Bein kannst du unmöglich fahren.«
»Ich könnte es jedenfalls versuchen.«
»Und du würdest Kevin und mich hier allein zurücklassen?«
Das bejahte er uneingeschränkt. »So, wie du mich bei der erstbesten Gelegenheit im Stich lassen willst.«
»Bevor ich verschwinde«, sagte sie sarkastisch, »muà ich allerdings noch etwas erledigen. Also kann ich es genausogut gleich hinter mich bringen.«
Sie stand auf und langte nach dem Tablett, das sie auf dem Nachttisch abgestellt hatte. MiÃtrauisch beäugte er die Plastikflasche mit Ãthylalkohol, die winzige Schere, die Pinzette. »Was hinter dich bringen?«
»Ich werde dir die Fäden ziehen.«
»Das wirst du nicht.«
»Da ist gar nichts dabei.«
»Das sagst du so. Es sind nicht deine Fäden. Warum gehen wir nicht zum Arzt?«
Sie tränkte einen Wattebausch mit Alkohol. »Das können wir uns sparen. Man muà sie nur durchtrennen und rausziehen. Ich habe schon mal zugeschaut.«
»Und ich habe bei einer Herztransplantation zugeschaut. Das heiÃt noch lange nicht, daà ich es kann.«
»Wann hast du bei einer Herztransplantation zugeschaut?«
»Das war bildlich gesprochen.« Er deutete auf das Tablett. »Tu das Zeug weg. Und bleib mir mit dieser Schere vom Hals. Wer sagt mir, daà du sie mir nicht in die Gurgel stöÃt.«
»Wenn ich das vorhätte, hätte ich dich im Schlaf beseitigt, und zwar schon längst.«
Dieses Argument traf. Sie wollte ihn zwar loswerden, aber umbringen wollte sie ihn nicht â das glaubte er wenigstens.
»Also stell dich nicht so an und senk den Kopf.« Sie wollte nach ihm fassen, aber er stoppte ihre Hände.
»Kennst du dich wirklich damit aus?«
»Vertrau mir.«
»Nie im Leben.«
Sie verdrehte die Augen. »Es sind nur ein paar oberflächliche Stiche. Die meisten Fäden liegen unter der Haut. Die haben sich inzwischen aufgelöst.«
»Woher willst du das wissen?«
»Das hat mir der Arzt erklärt.« Sie sah ihn tadelnd an. »Es wird nicht weh tun. Ich verspreche es dir. Die Wunde ist verheilt.«
Das zumindest war richtig. Sie schmerzte seit Tagen nicht mehr; das Dröhnen im Kopf war verschwunden. Er konnte sich wieder die Haare waschen. Die Stiche waren höchstens noch lästig, genau wie die kahlgeschorene Stelle um die Narbe herum.
Aber das Haar wuchs bereits nach und das borstige Stoppelfeld auf seinem Skalp juckte wie verrückt.
Widerwillig lieà er ihre Hände los. »Okay. Aber wenn es weh tut...«
»Höre ich sofort auf.«
Sie legte die Hände auf seine Wangen und zog seinen Kopf vor, dann betupfte sie die Naht mit Alkohol. »Ruhigbleiben«, mahnte sie, während sie die Watte beiseite legte und die Nagelschere nahm.
Sie war äuÃerst behutsam. Wenn er nicht das metallische Schnippen der Schere gehört hätte, hätte er nicht sagen könne, wann sie den ersten Faden durchtrennte. Natürlich lenkten ihn andere Reize ab, die viel intensiver waren als der Schmerz â ihr Atem in seinem Haar, die Berührung ihrer Schenkel, ihre Brüste, die so verlockend vor seinen Augen schwebten.
Vielleicht hätte er sie nicht provozieren sollen, sich nackt vor ihm zu zeigen. Damals hatte er das für eine gute Idee und eine narrensichere Methode gehalten, ihre »Ehe«-Geschichte zu überprüfen. Inzwischen befürchtete er, damit ein klassisches Eigentor geschossen zu haben. Denn wenn er seither bemerkte, wie ihre Brüste unter ihrem Nachthemd oder ihrem T-Shirt schaukelten, hatte er jedesmal ein Bild vor Augen, das einem Mann feuchte Träume bescheren konnte.
»Alles okay?« fragte sie unvermittelt.
»Ja, klar.«
»Macht dir dein Bein zu schaffen?«
»Nein.«
»Was ist dann los?«
»Nichts.«
»Dann hör auf zu zappeln. Ich schneide daneben, wenn du nicht stillhältst.«
»Tuâs einfach, okay?« fuhr er sie an.
Sie legte die Schere auf das Tablett zurück und nahm die Pinzette. »Jetzt wird es gleich ein biÃchen ...«
»Autsch!«
»Ziehen.«
»Autsch!«
Sie trat zurück und stemmte die Hände in die Hüften, wobei sich ihr T-Shirt über den Brüsten spannte und ihre Figur dadurch noch mehr betonte. »Willst du es selbst machen?«
Ich will es mit dir machen , brüllte es in seinem
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