Die Zeugin
Kopf.
»Du brauchst es nur zu sagen, dann hör ich auf.«
»Jetzt hast du es schon so weit getrieben, da kannst du die verdammten Dinger auch rausholen.«
Als sie fertig war, tupfte sie die Stelle wieder mit Alkohol ab. Es brannte leicht, aber er jammerte nicht.
Nach dem letzten Tupfer mit der feuchten Watte erklärte sie: »Sobald dein Haar nachgewachsen ist, bist du wieder wie neu.«
»Nicht ganz.«
»Du meinst die Amnesie? Immer noch keine Erinnerungen?«
»Tu nicht so, als täte dir das leid. Du willst doch gar nicht, daà mir was einfällt. Stimmtâs?«
»Natürlich möchte ich das.«
»Warum hilfst du mir dann nicht auf die Sprünge? Du bist ziemlich geizig, was Informationen anbelangt.«
»Der Arzt hat gesagt ...«
»Der Arzt hat gesagt, der Arzt hat gesagt«, äffte er sie gehässig nach. »Du hast behauptet, diesem quasselnden, aalglatten ScheiÃer nicht über den Weg zu trauen, aber das hält dich nicht davon ab, ihn laufend zu zitieren.«
»Der Arzt hat gesagt, ich sollte dein Gehirn nicht mit zu vielen Einzelheiten überfordern.«
Seine schlechte Laune und seine unflätige Ausdrucksweise schienen sie nicht im geringsten zu beeindrucken. Konnte man
diese Frau denn überhaupt nicht in Verlegenheit bringen? Ihr belehrender Tonfall und ihre kühle Arroganz beruhigten ihn keineswegs, sondern reizten ihn nur noch mehr.
»Wenn ich dich dränge, könnte ich dadurch den Wiederherstellungsprozeà sogar verlangsamen«, erklärte sie. »Dein Gedächtnis kommt zurück, sobald es will. Wir können es nicht forcieren.«
»Das denkst du dir nur aus.«
Sie gab sich entnervt geschlagen. »Also gut. Was willst du wissen?«
»Von wem hast du dein Baby?«
Endlich! Eine ehrliche, ungeschminkte, unbedachte Reaktion. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Offenbar hatte sie nicht mit einer Frage nach dem Vater ihres Sohnes gerechnet.
»Kevin ist nicht von mir.« Das war seine felsenfeste Ãberzeugung. »Ich weià es einfach. Ich spüre nichts, fühle keine Verbindung zu ihm.«
»Woher willst du das wissen? Du rührst ihn nie an, schaust ja kaum hin zu ihm.«
»Ich ... ich kann nicht. Er ... Kinder ganz allgemein, sie ...« Was sollte er sagen? Daà sie ihm angst machten? Sie würde ihn für verrückt erklären, und er würde ihr das nicht übelnehmen können. Trotzdem war Angst das Wort, das noch am besten beschrieb, was er empfand, wenn er sich in der Nähe des Kindes aufhielt.
Kendall beobachtete ihn neugierig, also muÃte er etwas sagen. »Ich werde immer unruhig, wenn ich sie weinen und schreien höre.«
Wenn er nur an schreiende Kinder dachte, trat ihm kalter Schweià auf die Stirn. Bilder aus seinem jüngsten Alptraum zogen ihm durch den Kopf, aber statt davor zu fliehen, schloà er diesmal die Augen, stellte sich ihnen und versuchte, wenigstens
an die Ränder seiner Erinnerungen vorzudringen. Und diesmal wurde ihm etwas bewuÃt, das ihm bisher entgangen war. In seinem Traum hatte er sich gewünscht, die Kinder würden aufhören zu schreien. Jetzt aber wurde ihm klar, daà er ihr Schweigen genauso fürchtete wie ihr Schreien. Weil Schweigen Tod bedeutete. Er wuÃte es. Und er wuÃte, daà er irgendwie dafür verantwortlich war. Jesus.
Es dauerte lange, ehe er die Augen wieder öffnete. Er fühlte sich ausgelaugt, zittrig und leer, als hätte er den Alptraum noch mal durchlebt.
Kendall hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sie beobachtete ihn besorgt und aufmerksam zugleich.
»Hatte es was mit deinem Baby zu tun, daà du mich in Stephensville loswerden wolltest?« fragte er. »Habe ich etwas gegen den Kleinen?«
»Nichts.«
»Lüg mich nicht an, Kendall. Ich habe was gegen dein Baby und weià nicht warum. Entweder bin ich ein herzloses Schwein, oder es muà einen Grund für dieses Gefühl geben. Welchen?«
»Ich weià es nicht.«
»Sag schon.«
»Ich weià es nicht!«
17. Kapitel
Ich bin schwanger!
Kendall packte das Steuer ihres Autos mit beiden Händen, um nicht von ihrem Glücksgefühl überwältigt zu werden. Sie lachte laut auf und wiegte ihre Schultern. Bestimmt hielt jeder sie für verrückt, der ihr auf der StraÃe begegnete, aber sie war zu glücklich, als daà sie sich darum gekümmert
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