Die Zeugin
hören, aber nicht sehen. »Ich habe sie so versteckt, daà du sie bestimmt nicht findest.«
Er schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen, suchte das Zimmer nach ihr ab und entdeckte sie schlieÃlich auf dem Boden neben dem Bett. »Was ist los? Wieso liegst du auf dem Boden?«
»Weil du mich vom Bett geschleudert hast. Du hattest einen Alptraum, und ich wollte dich aufwecken. Du hast mir die Faust in die Schulter gerammt.«
»Bist du verletzt?«
»Nein«, sagte sie und rappelte sich hoch.
Sein Herz raste, und er war schweiÃgebadet. Kraftlos und durcheinander winkelte er sein unverletztes Bein an und lieà die Stirn aufs Knie sinken.
»Das muà ja ein furchtbarer Traum gewesen sein«, bemerkte Kendall. »WeiÃt du ihn noch?«
Er hob den Kopf und sah sie an. »Zum Glück nicht. Ich hatt eine ScheiÃangst.«
»Du bist klatschnaÃ. Ich bringe dir einen Waschlappen.«
Während sie sich auf den Weg machte, stand er auf, ging ans
Fenster und setzte sich auf den Holzstuhl. Er hob die Jalousie an und stellte resigniert fest, daà die Luft immer noch so staubig und windstill war wie vorhin, als er sich in seine Lethargie ergeben und beschlossen hatte, ein Nickerchen zu machen. Nach den schweren Regenfällen vor zwei Wochen herrschte nun vollkommene Dürre. Die Hitze war zermürbend.
Er warf einen Blick über die nackte Schulter auf die zerwühlten, verschwitzten Laken. »Tut mir leid«, meinte er zu Kendall, als sie zurückkam.
»Das Bettzeug können wir leicht wechseln.« Sie zögerte und meinte dann: »Du hattest den Alptraum nicht zum ersten Mal.«
»Nein?«
»Nein, aber so schlimm wie heute war er noch nie. Geht es dir wieder besser?«
Dankbar nahm er das Glas Limonade entgegen, das sie ihm auf einem Tablett gebracht hatte. Seine Hand zitterte, die eisige Limonade rann in groÃen Schlucken durch seine Kehle, dann rollte er sich das kalte Glas über die Stirn.
Er war verblüfft, als er den kühlen Lappen auf dem Rücken spürte. Normalerweise gab sie sich alle Mühe, ihn nicht zu berühren.
Jetzt wischte sie mit dem Lappen über seine Schultern, an den Seiten herab über die Rippen und über sein Rückgrat bis zu den Lenden, wo sich der Schweià gesammelt hatte. Der weiche Stoff war angenehm kühl und beruhigend. Sie berührte ihn nur ganz leicht.
Ebenso behutsam ging sie auch mit ihrem Baby um. Denn eines muÃte man ihr lassen: Sie war eine wunderbare Mutter. Sanft. Fürsorglich. Aufmerksam. Das Baby zauberte ein hingebungsvolles Lächeln auf ihr Gesicht und brachte ihre Augen zum Leuchten.
Er hatte beobachtet, mit welchem Genuà sie das Kind versorgte,
bisweilen war er fast neidisch auf den kleinen Glückspilz. Natürlich konnte er sich nicht an seine Säuglingszeit erinnern, sich auch nicht vorstellen, daà er so gehätschelt worden war. Er glaubte nicht, daà ihn jemals ein Mensch so geliebt hatte, weder als Kind noch als Erwachsener.
Ãberdies fragte er sich, ob er wohl auch so selbstlos und uneingeschränkt lieben könnte. Die Vorstellung, es nicht zu können, beunruhigte ihn.
»Besser?« Sie rollte den Lappen zu einer Kompresse und drückte ihn in seinen Nacken.
»Ja. Danke.« Wie von selbst faÃte seine Hand nach hinten und legte sich auf ihre. Ein paar Sekunden lang hielt er die Kompresse im Nacken fest und spürte ihre Finger zwischen seinen und dem Stoff. »Viel besser.«
»Gut.«
SchlieÃlich löste er seine Hand wieder, und sie zog ihre zurück. Dann rieb er sich mit dem Lappen über Brust und Bauch, den er sich plötzlich fester, härter, jünger wünschte. Als er Kendall dabei ertappte, wie sie ihn beobachtete, wandte sie verlegen den Blick ab.
Sie sprachen gleichzeitig.
»Ich habe dir ...«
»Womit habe ich das hier verdient?«
»Gleich«, antwortete sie auf seine Frage. »Komm erst mal zur Ruhe.«
Sie setzte sich aufs Bett und faltete züchtig die Hände im SchoÃ. Da sie so gut wie immer Shorts trug, waren ihre Schenkel braungebrannt. Er vermutete, daà sie sich bei jedem Bad die seidenweich aussehenden Beine rasierte. Sie sahen seidenweich aus. Er wuÃte es nicht wirklich, weil er sie seit jenem Morgen, an dem sie sich geküÃt hatten, nicht mehr berührt hatte. Aus ihm noch unerfindlichen Gründen lieà sie es zu keiner Vertraulichkeit
kommen.
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