Die Zeugin
überlegen, rannte Kendall zurück ins Schlafzimmer, allerdings nur, um einen Morgenmantel aus dem Schrank zu zerren.
»Ich komme!« rief sie. Während sie zur Haustür eilte, schob sie ihren Arm in den Mantel und zog ihn fest um sich, damit ihre schmutzigen Kleider und zerkratzten Arme nicht zu sehen waren. Im letzten Moment dachte sie daran, sich die Schuhe von den FüÃen zu schleudern. Dann öffnete sie die Tür einen Spaltweit und schielte hinaus.
»Ach, hallo, Gibb.« Hoffentlich würde er ihre Kurzatmigkeit nicht als Angst interpretieren. Er trug Jagdkleidung. Seine Stiefel waren genauso schmutzig wie Matts, und auch er roch nach Rauch. Sein mildes Lächeln lieà nicht erkennen, daà er geradewegs von einem blutigen Handwerk kam.
»Ihr beide seid noch auf?«
Sie warf einen Blick über die Schulter und erwartete halb, Matt aus dem Schlafzimmer taumeln zu sehen, eine Hand auf der klaffenden Kopfwunde.
Wenn er nicht tot war.
Sie setzte ein, wie sie hoffte, schüchternes Lächeln auf und
drehte sich wieder zu ihrem Schwiegervater um. »Eigentlich nicht. Ich meine... also, wir haben noch nicht geschlafen. BloÃ... du weiÃt schon.« Sie seufzte wie eine geborene Südstaatenschönheit. »Wenn es wirklich wichtig ist, kann ich Matt natürlich holen.«
Er lachte leise. »Ich glaube nicht, daà es so wichtig ist wie das, was er jetzt macht.«
»Na ja«, meinte sie unsicher, »wir sind gerade dabei, uns zu versöhnen. Wir haben uns gestritten.« Sie spielte ihm eine plötzliche Eingebung vor und fragte: »Hat er dir davon erzählt?«
»Das hat er tatsächlich, aber nicht verraten, weswegen es Ãrger gab. Ich wollte nur mal vorbeischauen und fragen, ob ich helfen kann, die Wogen wieder zu glätten.« Er grinste breit und zwinkerte ihr zu. »Wie ich sehe, braucht ihr wohl keinen Friedensstifter. Ich gehâ dann heim und überlaà den Rest euch beiden.« Sie fürchtete, sich schon wieder übergeben zu müssen, als er die Hand ausstreckte und ihren Arm drückte. »Geh mal wieder zu deinem Mann. Gute Nacht, Kendall.«
»Gute Nacht.«
Er machte kehrt und stapfte die Stufen hinunter.
Um möglichst unverdächtig zu wirken, rief Kendall ihm nach: »Du kannst ja zum Frühstück kommen, wenn du möchtest. Ich könnte ein paar von deinen berühmten Waffeln vertragen.«
»Um acht bin ich da.«
Sie sah ihm nach, bis die Hecklichter seines Wagens in der Dunkelheit verschwunden waren, dann rannte sie zurück ins Schlafzimmer. Matt hatte sich nicht gerührt. Sie brachte es nicht über sich, ihn anzufassen oder auch nur seinen Puls zu fühlen. Was für einen Unterschied machte das jetzt noch?
Ob er tot war oder lebte â ihr bisheriges Leben war auf jeden Fall besiegelt.
24. Kapitel
»Ich heiÃe Kendall Burnwood. Wahrscheinlich werden Sie mir nicht glauben, was ich Ihnen jetzt erzähle. Möglicherweise halten Sie mich für geisteskrank. Glauben Sie mir, ich bin es nicht.« Sie hielt inne, um von der Cola zu trinken, die sie sich aus dem Getränkeautomaten des Motels gezogen hatte.
»Ich höre.«
Agent Braddock vom FBI klang verschlafen und griesgrämig. Wirklich jammerschade! Was sie ihm zu erzählen hatte, würde ihn schon wachrütteln. Um ihrer unglaublichen Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, hatte sie sich ihm als Pflichtverteidigerin vorgestellt. Sonst hätte er wohl geglaubt, er hätte es mit einer Spinnerin zu tun.
»Ich wohne und arbeite seit beinahe zwei Jahren in Prosper. Heute abend bin ich auf eine geheime Bürgerwehr gestoÃen, die unaussprechliche Verbrechen begeht, darunter auch Morde. Zu dieser Miliz gehören einige der angesehensten Bürger des Ortes. Sie bezeichnen sich selbst als âºdie Bruderschaftâ¹. Mein... Ehemann gehört auch dazu.
Wie er selbst zugegeben hat, bestrafen sie jeden, der das ihrer Meinung nach verdient hat, aber irgendwie durch die Maschen des Gesetzes geschlüpft ist.
Ich habe keine Ahnung, wie viele Menschen sie im Lauf der Jahre getötet haben, aber heute abend habe ich mit eigenen Augen einen Mord beobachtet.« Dann beschrieb sie ihm Michael Lis Hinrichtung und wie sie Bamas Ãberreste entdeckt hatte. »Er war kein Krimineller, aber ich habe den Verdacht, daà sie ihn ebenfalls umgebracht haben.«
Sie erzählte dem Beamten, was sie im Wald
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