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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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werden, und ich werd’ mich nicht mit weniger begnügen.«
    »Du bringst mich zu ihm zurück?«
    Sie schüttelte den Kopf, und im ersten grauen Licht des Tages, das durchs Laub drang, sah ich ihre braunen Locken auf ihren Schultern schaukeln wie damals, als sie vor dem Lumpenladen das Gitter hochgeschoben hatte. »Vodalus ist tot. Glaubst du, mit dem Wurm in Händen ließe ich mich ungestraft übers Ohr hauen? Sie hätten dich verschleppt. Nun lasse ich dich frei – weil ich eine gewisse Ahnung habe, wohin du gehst … Schließlich wirst du mir wieder in die Hände fallen – wie neulich, als unsere Pteriope dich von den Evzonen gerettet haben.«
    »Du rettest mich also, weil du mich haßt«, sagte ich, woraufhin sie nickte. Gleichermaßen hat wohl Vodalus diesen Teil von mir, welcher der Autarch ist, gehaßt.
    Oder vielmehr haßte er den Autarchen seiner Vorstellung, denn dem echten Autarchen, den er für seinen Diener hielt, war er ja treu, soweit er überhaupt treu sein konnte. Als ich ein Knabe in den Küchen des Hauses Absolut war, gab’s dort einen Koch, der die Waffenträger und Beglückten, für die er die Speisen zubereitete, derart haßte, daß er fieberhaft auf Perfektion hinarbeitete, um ja nicht die Schande eines Tadels einstecken zu müssen. Schließlich wurde er zum Chefkoch dieses Flügels vom Haus Absolut gemacht. Ich dachte an ihn, wobei Agias Griff um meinen Arm, den ich fast nicht mehr gespürt hatte, während wir voraneilten, völlig verschwand. Als ich nach ihr blickte, war sie fort; ich war mit dem grünen Mann allein.
    »Wie kommt’s, daß du hier bist?« fragte ich ihn. »Du setzt dein Leben aufs Spiel und kannst unter unsrer Sonne nicht gedeihn.«
    Er lächelte. Obzwar seine Lippen grün waren, hatte er weiße Zähne; sie blitzten im Zwielicht. »Wir sind eure Kinder, und wir sind nicht weniger aufrichtig als ihr, obgleich wir nicht töten, um zu essen. Du hast mir die Hälfte deines Steins gegeben, des Steins, der das Eisen zernagt und mir die Freiheit geschenkt hat. Was hast du geglaubt, würde ich tun, wenn die Kette mich nicht mehr hielte?«
    »Nun, in deine Zeit zurückkehren«, antwortete ich. Die Wirkung der Droge hatte nun so weit nachgelassen, daß in mir die Furcht erwachte, mit unserm Sprechen könnten wir die ascischen Soldaten wecken. Dennoch konnte ich keine sehen – nur die dunklen hohen Stämme der Urwaldbäume.
    »Unsre Wohltäter bleiben nicht ohne Lohn. Ich bin in den Korridoren der Zeit auf und ab gelaufen, um einen Augenblick zu finden, in dem du ebenfalls gefangen wärst, auf daß ich dich befreien könnte.«
    Als ich das hörte, wußte ich nicht, was ich sagen sollte. Schließlich meinte ich: »Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein seltsames Gefühl es ist zu wissen, daß jemand meine Zukunft nach einer Möglichkeit abgesucht hat, mir einen Gefallen zu erweisen. Aber jetzt, da wir quitt sind, weißt du doch sicherlich, daß ich dir nicht geholfen habe in der Annahme, auch du könntest mir helfen.«
    »Doch – du hast meine Hilfe gebraucht, diese Frau zu finden, die uns gerade verlassen hat, die Frau, die du seit jener Gelegenheit mehrmals wiedergefunden hast. Freilich solltest du wissen, daß ich nicht allein gewesen bin: es gibt andere, die suchen – zwei davon will ich dir schicken. Und wir, du und ich, sind noch nicht im klaren miteinander, denn obschon ich dich hier in Gefangenschaft gefunden habe, hat dich die Frau ebenfalls gefunden und hätte dich auch ohne meine Hilfe befreit. Wir werden uns also wiedersehen.«
    Als er dies sagte, ließ er meinen Arm los und trat in jene Richtung, die ich noch nie bemerkt hatte, bis ich das Schiff über Baldanders’ Burg dorthin verschwinden sah, und die ich offenbar nur bemerken konnte, wenn dort etwas war. Sodann wandte er sich um und fing zu rennen an, und ich sah diese laufende Gestalt trotz des düsteren Himmels noch eine lange Zeit im Schein regelmäßig aufzuckender Blitze. Schließlich zerschmolz sie zu einem dunklen Punkt; als ich aber schon mit dem völligen Verschwinden dieses Punktes rechnete, begann er zu wachsen, und ich bekam den Eindruck, durch diesen seltsam winkligen Korridor sause etwas Gewaltiges auf mich zu.
    Es war nicht das Schiff, das ich gesehen hatte, sondern ein anderes, viel kleineres. Dennoch war es so groß, daß seine Dollborde, sobald es endlich ganz in das Feld unsres Bewußtseins gelangte, mehrere der dicken Stämme gleichzeitig berührten. Der Rumpf tat sich auf, und eine

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