Die Zitadelle des Autarchen
ich zu: »Was ist das für eine idiotische Frage? Glauben die, ich würd’s ihnen sagen, wenn ich der Autarch wäre?«
»Alles, was wir sagen, wird in den Norden übertragen.«
Eine Ascierin, die bislang geschwiegen hatte, sprach nun. Einmal deutete sie in unsre Richtung. Als sie geschlossen hatte, saßen alle drei totenstill am Tisch. Ich hatte den Eindruck, sie hörten eine für mich unvernehmbare Stimme und wagten es nicht, sich zu bewegen, solange die Stimme sprach; aber das war vielleicht bloße Einbildung von mir. Vodalus zappelte nervös herum, ich trat aufs andere Bein, um mein verletztes zu entlasten, und die Brust des Autarchen hob und senkte sich im ungleichen Rhythmus seines Atmens, aber die drei Frauen verharrten regungslos wie in einem Gemälde.
Schließlich sagte diejenige, die als erste gesprochen hatte: »Das Volk umfaßt alle Personen.« Hierauf wirkten die anderen sofort gelöster.
»Dieser Mann ist krank«, erklärte Vodalus, zum Autarchen blickend, »und ist mir ein sehr nützlicher Diener gewesen, obwohl sein Nutzen, wie ich fürchte, nun ein Ende gefunden hat. Den anderen Mann habe ich einem meiner Anhänger versprochen.«
»Das Verdienst des höchsten Opfers fällt zu, wer ohne Rücksicht auf die eigene Person gibt, was er kann, im Dienste des Volkes.« Der Tonfall der Ascierin stellte klar, daß jede Widerrede ausgeschlossen sei.
Vodalus blickte zu mir, zuckte die Achseln, machte dann auf dem Absatz kehrt und ging aus dem Kuppelbau. Unmittelbar darauf kam eine Reihe von ascischen Offizieren mit Peitschen herein.
Wir wurden in einem ascischen Zelt eingesperrt, das etwa die doppelte Größe meiner Zelle in der Zikkurat hatte. Zwar brannte ein wärmendes Feuer, aber wir hatten keine Decken, und die Offiziere hatten den Autarchen, als sie ihn hertrugen, einfach daneben auf den blanken Boden gelegt. Nachdem ich meine Handfesseln abgestreift hatte, versuchte ich, sein Leiden zu lindern, indem ich ihn auf den Rücken drehte und die Arme neben den Leib legte, wie er auch im Palankin geruht hatte.
Im Heer um uns herum war’s still – so still zumindest, wie’s in einem ascischen Heer überhaupt werden kann. Von Zeit zu Zeit schrie jemand in großer Ferne auf – im Schlaf, wie es schien –, obwohl zumeist nichts anderes zu hören war als die Schritte der Wachtposten, die draußen ihre Runde gingen. Ich kann nicht in Worte fassen, welches Grauen ich empfunden habe beim Gedanken, nun nach Norden ins ascische Reich verschleppt zu werden. Nur die wilden, ausgehungerten Mienen der Ascier zu sehen und selbst für den Rest des Lebens dem ausgesetzt zu sein, was sie in den Wahnsinn getrieben hat, ist mir als ein so grimmiges Los vorgekommen, wie es keinem Klienten im Matachin-Turm je auferlegt worden ist. Ich versuchte, die Seitenwände des Zeltes anzuheben; falls die Wächter mich sehen, könnte mir nichts Schlimmres widerfahren als getötet zu werden. Aber die Ränder waren auf irgendeine unerklärliche Weise fest mit dem Boden verbunden. Alle vier Wände bestanden aus einem glatten, zähen Material, das ich nicht reißen konnte, und Miles’ Rasiermesser war mir von meinen sechs Wächterinnen abgenommen worden. Ich stand schon im Begriff, mich aus dem Eingang zu hechten, als die vertraute Stimme des Autarchen hauchte: »Warte!« Ich kniete mich flugs neben ihn, weil ich befürchtete, man könnte uns hören.
»Hab’ gedacht, Ihr … schlaft.«
»War wohl die meiste Zeit bewußtlos, aber wenn ich aus dem Koma erwachte, stellte ich mich ohnmächtig, damit Vodalus mich nicht verhören könnte. Versuchst du zu fliehn?«
»Nicht ohne Euch, Sieur. Nicht mehr. Ich hatte Euch für tot gehalten.«
»Hattest du gar nicht so unrecht. Einen Tag länger, und ich … Aber ja, ich glaube, es ist am besten, wenn du zu fliehen versuchst. Vater Inire ist bei den Rebellen. Er sollte dir bringen, was du brauchst, und dir bei der Flucht helfen. Aber wir sind nicht mehr bei denen … nicht wahr? Nun kann er dir vielleicht nicht mehr helfen, öffne meine Robe! Was du zunächst brauchst, steckt in meinem Bauchgurt.«
Ich tat, wie er geheißen hatte; die Haut, die meine Finger berührten, war kalt wie bei einem Leichnam. In der Nähe seiner rechten Hüfte entdeckte ich ein Heft aus silbrigem Metall, das nicht dicker als ein Frauenfinger war. Ich zog das Messer hervor; die Klinge war nicht einmal eine halbe Spanne lang, aber dick und fest und von jener tödlichen Schärfe, die ich nicht mehr gefühlt hatte,
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