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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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voranschreitet.
    In einem bestimmten göttlichen Jahr nun (einer für uns wahrlich unvorstellbaren Zeit, obschon dieser Weltenzyklus nur einer in einer endlosen Folge war) wurde eine Rasse geboren, die der unsrigen so ähnelte, daß Meister Malrubius nicht zögerte, sie eine menschliche zu nennen. Sie verbreitete sich über die Galaxien ihres Universums wie auch wir einmal in grauer Vorzeit, als die Urth für eine Weile das Zentrum oder zumindest Heimat und Sinnbild eines großen Reiches gewesen war.
    Diese Menschen begegneten auf anderen Welten vielen Wesen, die bis zu einem gewissen Grad Intelligenz hatten oder zumindest die Anlagen dafür. Aus diesen Wesen formten sie – auf daß sie Kameraden hätten in der Einsamkeit zwischen den Galaxien und Verbündete auf ihren vielen Welten – Menschen nach ihrem Vorbild.
    Dies ließ sich weder schnell noch leicht bewerkstelligen. Ungezählte Milliarden litten und starben unter ihren lenkenden Händen, was unauslöschliche Erinnerungen an Schmerz und Blut hinterließ. Als ihr Universum alt geworden war und die Galaxien so weit auseinandergetrieben waren, daß selbst die nächste nicht einmal mehr als schwacher Lichtfleck sichtbar war, und die Schiffe somit einzig durch alte Aufzeichnungen gesteuert wurden, war es bewerkstelligt. Bei seiner Vollendung war das Werk größer, als jene, die es begonnen hatten, sich hätten träumen lassen. Was bewerkstelligt wurde, war nicht eine neue Rasse wie die Menschheit, sondern eine Rasse, wie die Menschheit sie sich als Ideal vorstellte: geeint, mitfühlend, gerecht.
    Offen blieb, was aus der Menschheit aus jenem Zyklus geworden war. Vielleicht überlebte sie bis zur Implosion des Universums und verging mit ihm. Vielleicht entwickelte sie sich weiter bis zur Unkenntlichkeit. Die Wesen jedoch, welche die Menschheit in ideale Männer und Frauen verwandelt hatte, entkamen, indem sie einen Weg ins Yesod, in jenes höhere Universum fanden, wo sie Welten schufen, die dem Ideal, das aus ihnen geworden war, entsprachen.
    Von diesem günstigen Punkt schauten sie vorwärts und rückwärts aus und entdeckten dabei uns. Vielleicht gleichen wir lediglich einer jener Rassen, die sie geformt haben. Vielleicht haben wir sie geformt – oder unsre Söhne – oder unsre Väter. Malrubius hat gesagt, das wisse er nicht, was ich ihm glaube. Wie dem auch sei, sie formen uns jedenfalls, wie sie einst geformt worden sind; es ist zugleich ihre Rückzahlung und Rache.
    Die Hierodulen haben sie ebenfalls gefunden und rascher geformt, damit sie ihnen in diesem Universum dienen. Unter ihrer Anweisung konstruieren die Hierodulen Schiffe wie jenes, das mich vom Urwald zur Küste getragen hat, damit auch Aquastoren wie Malrubius und Triskele ihnen dienen können. Mit dieser Zange hält man uns in die Esse. Der Hammer, den sie schwingen, ist ihre Fähigkeit, ihre Diener durch die Korridore der Zeit zurückzuholen und sie so in die Zukunft zu befördern. (Das ist eigentlich die gleiche Macht, die ihnen gestattet hat, dem Tode ihres Universums zu entrinnen – die Korridore der Zeit zu betreten heißt, das Universum zu verlassen.) Ihr Amboß ist – auf Urth zumindest – das fordernde Leben mit seinen Nöten: der Zwang in unsrer Zeit, sich einer immer feindlicheren Welt mit den Mitteln der geplünderten Kontinente zu erwehren. Weil es so grausam ist wie die Methoden, womit sie selbst geformt worden sind, werden dadurch Recht und Gerechtigkeit gewahrt; aber wenn die Neue Sonne erscheint, so zum Zeichen dessen, daß zumindest die ersten Stufen der Umformung abgeschlossen sind.
     

 
Vater Inires Brief
     
    Das für mich vorgesehene Quartier befand sich im ältesten Teil der Zitadelle. Die Gemächer hatten so lange leergestanden, daß der greise Kastellan und der Kämmerer, der mit ihrer Instandhaltung betraut war, die Schlüssel dazu verloren glaubten und sich mit vielerlei Entschuldigungen und betretenem Schweigen erboten, die Schlösser aufbrechen zu lassen. Ich gönnte mir nicht das Vergnügen, ihre Mienen zu betrachten, hörte aber ihr verdutztes Aufatmen, als ich die schlichten Wörter aussprach, welche die Macht über die Türen hatten.
    Es war faszinierend festzustellen, wie sehr sich der Einrichtungsstil jener Periode vom unsrigen unterschied. Sie kamen ohne Stühle in unserm Sinn aus und hatten nur zusammengesetzte Polster und Kissen zum Sitzen. Ihren Tischen fehlten Schubladen und jene Symmetrie, die wir als wesentlich erachten. Für unseren Geschmack waren

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