Die Zitadelle des Autarchen
Vollmacht, mit deinen Gefangenen in der Kutsche zu verhandeln? Du stehst hinter mir?«
»Es sind keine Gefangenen – nun, gewissermaßen doch. Du erklärst ihnen, was ich dir gesagt habe und holst das Beste für uns heraus! Ich steh’ hinter dir.«
Ich sah ihn kurz an, um mich zu überzeugen, daß es ihm ernst damit wäre. Wie so viele Männer in mittlerem Alter trug er in seinem Gesicht bereits den Greis von dereinst, verbittert und entstellt, schon jetzt wie im letzten Scharmützel klagend und murrend.
»Du hast mein Wort. Geh!«
»Gut.« Ich erhob mich. Die gepanzerte Kutsche glich jenen Wagen, mit denen wichtige Klienten zu unserm Turm in der Zitadelle geschafft worden waren. Die Fenster waren schmal und vergittert, die Hinterräder mannshoch. Die glatten Stahlwände erinnerten an jene untergegangenen Künste, die ich gegenüber Guasacht angesprochen hatte, und ich wußte, daß die Tier-Menschen darin besser bewaffnet waren als wir. Ich streckte die Hände aus, um zu zeigen, daß ich in friedlicher Absicht käme, und trat näher, bis ein Gesicht im vergitterten Fenster erschien.
Wenn man von solchen Kreaturen hört, stellt man sich vor, sie wären halb Mensch, halb Tier; aber wenn man sie in der Wirklichkeit erlebt – wie ich nun diesen Tier-Menschen sah und wie ich die Menschenaffen in der Mine bei Saltus gesehen hatte –, dann stellt man fest, daß sie überhaupt nicht so sind. Der beste Vergleich, der mir einfällt, ist der mit einer Birke, die ein Sturm schüttelt. In einem Moment wirkt sie wie ein gewöhnlicher Baum und im nächsten, wenn die Blattunterseiten sich nach oben drehn, wie eine übernatürliche Erscheinung. So ist es auch mit den Tier-Menschen. Zunächst glaubte ich, eine Dogge hinter den Gitterstäben zu erkennen, dann einen Mann von edler Häßlichkeit mit gelbbrauner Haut und bernsteinfarbenen Augen. Ich hob, an Triskele denkend, die Hand vors Gitter, um ihn daran schnuppern zu lassen.
»Was willst du?« fragte er mit rauher, aber durchaus nicht unangenehmer Stimme.
»Euch das Leben retten«, sagte ich. Das hätte ich wohl nicht sagen sollen, was ich erst ahnte, nachdem ich’s schon ausgesprochen hatte.
»Wir wollen unsere Ehre retten.«
Ich nickte. »Ehre ist höher als Leben.«
»Wenn du uns sagen kannst, wie unsere Ehre zu retten ist, sprich! Wir hören. Aber wir werden niemals das uns anvertraute Gut ausliefern.«
»Es ist bereits ausgeliefert«, sagte ich.
Der Wind legte sich, und augenblicklich hatte ich wieder die zähnefletschende Dogge, die mich grimmig anfunkelte, vor mir.
»Nicht um das Gold vor den Asciern zu schützen, wurdet ihr in diese Kutsche gesteckt, sondern um es vor den eigenen Leuten unsrer Republik zu schützen, die es, wenn irgend möglich, stehlen würden. Die Ascier sind geschlagen – sieh sie doch an! Wir Menschen sind dem Autarchen treu ergeben. Diejenigen, vor denen ihr euer Gut schützen sollt, werden uns bald überwältigt haben.«
»Sie müssen mich und meinen Gefährten töten, ehe sie ans Gold gelangen können.«
Es war also Gold. Ich sagte: »Das tun sie auch. Kommt raus und helft uns kämpfen, solange noch Hoffnung auf einen Sieg besteht!«
Er zögerte, und ich war mir nicht mehr sicher, ob es grundverkehrt gewesen war, zuerst das Retten der eigenen Haut anzusprechen. »Nein«, entgegnete er dann. »Das können wir nicht. Was du sagst, klingt zwar vernünftig. Aber unser Gesetz ist nicht das Gesetz der Vernunft. Unser Gesetz ist Ehre und Gehorsam. Wir bleiben, wo wir sind.«
»Aber du weißt, daß wir nicht eure Feinde sind?«
»Jeder, der anstrebt, was wir bewachen, ist unser Feind.«
»Auch wir bewachen es. Wenn diese Marketender und Deserteure in Schußweite eurer Waffen kommen, werdet ihr dann auf sie feuern?«
»Ja, natürlich.«
Ich ging nun zum Haufen der entmutigten Ascier und verlangte, mit ihrem Anführer zu sprechen. Der Mann, der sich nun erhob, war nur ein kleines Stück größer als die übrigen; er wirkte auf mich in etwa so intelligent wie ein Geistesgestörter. Ich sagte ihm, Guasacht habe mich geschickt, in seinem Namen mit ihm zu verhandeln, weil ich schon oft mit Asciern gesprochen hätte und ihre Art kenne. Das hörten, wie beabsichtigt, seine drei Versehrten Wächter, die zugleich sahen, daß Guasacht meinen Platz in der äußeren Verteidigungslinie eingenommen hatte.
»Sei gegrüßt im Namen der Gruppe der Siebzehn«, sagte der Ascier.
»Im Namen der Gruppe der Siebzehn.«
Der Ascier machte ein verdutztes
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