Die Zuckerbäckerin
liebte? Auch Eleonore war ihr längst verfallen. Daà es unter den Adelsleuten auch solch freundliche Menschen gab, hätte sie nie für möglich gehalten. SchlieÃlich waren die meisten Fürsten und Grafen nur Blutsauger und Halsabschneider! Nicht so Katharina, dieGattin des Thronfolgers. Fast täglich stattete sie der Küche einen Besuch ab und lieà die Bediensteten wissen, wie sehr sie ihre Arbeit schätzte. Von Sophie wuÃte Eleonore auÃerdem, daà Katharinas Art, ihren Hof zu halten, um ein Vielfaches einfacher und sparsamer war, als dies sonst in hohen Kreisen der Fall war. Dies war der einzige Punkt, an dem sich die Bediensteten hin und wieder störten. Kein noch so kleines Stück Fleisch konnte ungestört aus der Küche gemogelt werden, alles sei genau abgewogen und ausgerechnet, hatte Sophie beklagt. Und Lili hatte hinzugefügt, sie müsse selbst altbackenes Brot und Kuchen eingeweicht mit Milch und Honig als SüÃspeise wieder auf den Tisch bringen. Wieviel Geschick und Können es von der SüÃspeisenköchin verlangte, aus solchen simplen Zutaten eine schmackhafte Speise zu zaubern, könne sich kein Mensch vorstellen. Auch wurden statt der sonst üblichen sieben und mehr Speisefolgen höchstens fünf Gänge pro Mahl aufgetischt, womit sich Katharina wie auch Wilhelm zufriedengaben, der Stolz der Köche jedoch verletzt wurde, die dadurch wenig Gelegenheit hatten, ihre Künste vorzuführen. Im Gegensatz zu den anderen fand Eleonore die Sparsamkeit der Hausherrin bewundernswert. »Stellt euch mal vor, da ist ein Mensch, der alles hat und sich doch mit so wenigem zufriedengibt«, hatte sie auf die Klagen der anderen geantwortet, jedoch nur verständnislos Blicke geerntet.
Eleonore seufzte. Wenn sich nur Sonia besser in ihr neues Leben einfügen könnte! Wenn sie nur ein wenig dankbar sein könnte für das groÃe Glück, das den beiden Schwestern zuteil wurde! Dann wäre sie selbst der glücklichste Mensch gewesen. Seit sie nach Bellevue gekommen waren, war kein Tag vergangen, an dem es für sie nicht etwas Interessantes zu entdecken gab.
Allmählich begann sie die Ordnung der groÃen Hofküche zu durchschauen, und war stets aufs neue fasziniert: DieKüche des Landhauses bestand aus insgesamt acht Räumen, die ihrerseits noch einmal untergliedert waren. Da gab es eine Küche, in der nur Wild und Geflügel zubereitet wurde. Darin stand ein groÃer, offener Herd, über dem an einem Spieà bis zu zwanzig Hühner auf einmal gebraten werden konnten. Diesen Spieà von Hand zu drehen war die Aufgabe von Max, dem Küchenjungen. Unter dem Spieà stand eine riesige Pfanne, in der das von den Hühnern herabtropfende Fett aufgefangen wurde. Dieses muÃte Max mit einer Kelle immer wieder über das Geflügel gieÃen, bis es eine knusprige Haut bekam. Ein Teil des Fettes wurde dann dem SoÃenkoch gebracht, der wiederum in einem besonderen Raum nur mit der Zubereitung von SoÃen und kalten Mayonnaisen beschäftigt war. Eine weitere Küche war nur für die Zubereitung kalter Speisen wie Pasteten, kalte Braten oder Gelees bestimmt. Dort waren an den Wänden riesige Eiskästen angebracht, und groÃe Wasserbassins standen bereit, damit fertige Speisen im kalten Eiswasser gekühlt werden konnten. In einem anderen Raum gab es Bottiche, in denen alle möglichen Fische herumschwammen. In kleineren Kannen schwammen Austern und Hummer â Tiere, die Eleonore noch nie gesehen hatte und vor denen sie sich ekelte. Der Raum, in dem Lili arbeitete, war für SüÃspeisen aller Art reserviert. Man hatte einen groÃen Backofen direkt ins Gemäuer eingebaut. Daneben gab es noch eine offene Feuerstelle. Am allermeisten faszinierten Eleonore in diesem Raum jedoch die unzähligen Kupferformen, in denen Puddings, Aufläufe und Kuchen hergestellt wurden: Da gab es Fischformen und Sternformen, ganz kleine Formen für eine Person und wiederum so groÃe, daà Lili darin einen Pudding für zwanzig Gäste bereiten konnte. In Eleonores erster Woche auf dem Schloà war es ihre Aufgabe gewesen, die kupfernen Formen und Kannen der SüÃspeisenküche auf Hochglanz zu polieren. Währenddessen war Sonia inder sogenannten »Hauptküche« damit beschäftigt gewesen, dasselbe mit den kupfernen Kochtöpfen und Pfannen zu tun. Diese waren so groÃ, daà man darin
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