Die Zuckerbäckerin
zog eine Grimasse und grinste.
Eleonore lächelte verlegen zurück und wandte sich dann um. Noch immer zeichneten sich ihre Schulterknochen spitz durch die dünne Wollschürze ab. Das reichliche Essen der letzten Wochen hatte die Spuren des Hungers auf ihrem Körper noch nicht auszulöschen vermocht. Sonia hingegen, die täglich weitaus weniger Stunden auf den Beinen verbrachte als ihre Schwester und jede Gelegenheit zum MüÃiggang nutzte, hatte schon ordentlich zugelegt. Die praller gewordenen Rundungen ihres Leibes zeugten deutlich davon.
Doch Leonard sah weder Eleonores magere Beine noch ihre hohlen Wangen. Sein Blick glitt über ihr gerötetes Gesicht, nahm jede Pore zur Kenntnis, sah den feuchten Film, der seidig auf ihrer Haut glänzte. Und urplötzlich hatte er das Bedürfnis, den zarten Flaum ihrer Nackenhaare, die sich aus ihrer strammen Bezopfung gelöst hatten, zu berühren.
»Halt, warte einen Augenblick!« Hastig griff er nach ihrer Schulter, worauf sie einen Schritt zur Seite machte, als hätte sie sich verbrannt. »Es ist nur â¦, was will ich â¦, wo haben sie dich heuer eingesetzt?« Im Grunde genommenwuÃte Leonard nichts mit Eleonore zu bereden, trotzdem wollte er sie nicht gehenlassen.
»Bei den Fischen bin ich«, erklärte Eleonore bereitwillig. »Als zweiten Gang hat der Küchenmeister geräucherte Fische mit einer grünen SoÃe vorgesehen, und ich soll die Fische von Haut und Gräten befreien. Da, riech einmal!« Während sie ihm eine Hand vor die Nase hielt, zog sie eine Grimasse. »Wie ein Fischweib, nicht wahr?« Sie lachte.
Mittlerweile konnte sie ihm in die Augen schauen und manchmal auch ein paar Worte mit ihm wechseln, ohne daà ihr gleich die Feuerröte ins Gesicht schoÃ. Trotzdem zog sie es vor, ihn heimlich zu beobachten.
Leonard schluckte. Eleonores weiÃer Hals, ihre nackten, weiÃen Arme, die Brüste, die sich schwach durch den grauen Schürzenstoff abzeichneten â wie mochte sich das alles anfühlen?
»Du fragst mich ja gar nicht, wo Sonia zu schaffen hat?« Fast unmerklich hielt Eleonore den Atem an.
»Sonia! Laà mich bloà mit der in Ruhe!« antwortete Leonard mit ungewohnter Heftigkeit. Endlich gelang es ihm, seine Augen von der Wölbung ihrer Brüste abzuwenden. »Von mir aus könnte deine Schwester auf dem Mond Lebkuchen backen, und es würde mich immer noch nicht interessieren.«
Obwohl Eleonore versucht war, Sonia sofort zu verteidigen, muÃte sie bei Leonards Worten erst einmal lachen. Die seltsame Spannung zwischen ihnen löste sich langsam.
»Aber was ich tue, das interessiert dich schon, oder?« sprudelte ihr von den Lippen. Doch im selben Moment wurde sie feuerrot. Das unbefangene Geplänkel mit den Mannsbildern, das Sonia so leicht und kokett von den Lippen ging, lag Eleonore eigentlich gar nicht, ganz im Gegenteil. Sie verabscheute es, wenn ein Weib sich durch allzu anzügliche Augenaufschläge oder Andeutungen ständig dieAufmerksamkeit eines Burschen zu verschaffen suchte. Daher war sie nun um so mehr über ihr eigenes Verhalten überrascht.
Leonard lachte. Plötzlich war auch seine Zunge wie gelöst. Schon öfters hatte er in Eleonores Gegenwart festgestellt, daà er nach kurzer Zeit seine Schüchternheit verlor, deretwegen ihn die anderen Weiber in der Küche dauernd aufzogen. Sonia ebenfalls. Nun würden ihm sicher die tollsten Sprüche einfallen, die interessantesten Fragen und aufregendsten Geschichten ⦠Doch statt dessen nahm er Eleonores Hand in die seine.
»Das weiÃt du doch, daà ich mich für dich interessiere, oder?«
Als Eleonore nicht antwortete, sondern ihn nur mit ihren dunklen, warmen Augen anschaute, spürte er ein so heftiges Gefühl in sich, daà ihn auf einmal kalte Schauer durchliefen. Was geschah mit ihm? War er etwa dabei, sich in die magere Räuberin zu verlieben? Daà sie eine solche war, daran hatte er keinen Augenblick gezweifelt. Selbst als Sonia mit ihrer glaubhaften Erklärung auftrumpfte, hatte er es besser gewuÃt. Nicht umsonst war auch er ein ganzes Jahr auf Wanderschaft gewesen. Mochte es ihm an Gut und Geld nicht viel gebracht haben, so hatte er doch die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt und war seitdem nicht mehr der unbedarfte Bauersbub, als der er sich vom Hof seines Bruders verabschiedet hatte. Doch war ihm
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