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Die Zufalle des Herzens

Die Zufalle des Herzens

Titel: Die Zufalle des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fay Juliette
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Problem lösen.«
    Das Schuldgefühl, das sie wegen ihrer Absage an ihn empfand, verwandelte sich bald in Empörung. Wie konnte er sie um so etwas bitten, wo er doch über alles, was sie zu bewältigen hatte, Bescheid wusste? Während er arbeitete, plauderte er freundlich weiter, doch sie konnte an nichts anderes denken als an den Druck, den sie jetzt verspürte. Woher wusste er, was das Beste für sie war? Sie wusste, es war unvernünftig, aber ihr Ärger wurde trotzdem größer.
    »Was wir jetzt machen, nennen wir eine Einprobe«, erklärte er gerade. »Die Krone wird mit etwas Glycerin platziert, sodass Sie sich vergewissern können, dass Sie damit zufrieden sind, bevor sie endgültig zementiert wird.« Er fuhr den Stuhl herunter und hielt ihr einen Handspiegel hin. »Gehen Sie zum Fenster rüber, damit Sie den Zahn bei Tageslicht sehen können.«
    Beim Blick in den Spiegel sah sie nur die tiefen Sorgenfalten zwischen ihren blassen Augenbrauen, und ihre Wut steigerte sich. »Irgendwie stimmt was nicht«, sagte sie.
    »Nein?«, fragte er und trat neben sie. »Wollen wir doch mal schauen.« Er war ein paar Zentimeter kleiner als sie, ein Eindruck, der sich noch verstärkte, als er sich leicht bückte und zu ihrem Mund hinaufblinzelte, während er vorsichtig ihre Oberlippe zurückschob. »Was stimmt denn nicht?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht … Die Farbe ist falsch.« Sie hörte die Verbitterung in ihrem Ton, den Mangel an Höflichkeit, und das machte sie nur noch wütender. Es war seine Schuld, dass sie sich wie eine Giftnudel fühlte.
    »Finden Sie?«, fragte er sanft.
    Sie starrte in den Spiegel, um seinem Blick zu entgehen, und tippte mit dem Finger auf den Zahn. »Der hier hat nicht denselben Farbton wie die anderen.«
    »Dana«, sagte er, die Mundwinkel angespannt, um nicht zu grinsen. »Das ist Ihr eigener Zahn. Der andere ist die Krone.«
    Mit ausdruckslosem Blick drehte sie sich zum Fenster, bemüht, ihre unbegründete Wut wieder in ihren Käfig zu sperren.
    »Hören Sie, Dana«, murmelte Dr. Sakimoto. »Meine durchgeknallte Aushilfe ist nicht Ihr Problem. Sie haben gerade genug anderes im Kopf. Und Sie müssen tun, was für Sie das Beste ist.«
    Sein Verständnis überraschte sie und trug zur Bezähmung ihrer Wut bei. »Mit Morgan hatten Sie recht«, sagte sie schließlich. »Sie steckt sich den Finger in den Hals.«
    »Ja.« Er nickte.
    »Sie wird es nicht zugeben.«
    »Sie schämt sich. Wir alle verbergen das, wofür wir uns schämen.«
    Natürlich , dachte sie. Und doch war dieses Geheimnis jetzt preisgegeben – ausgerechnet ihrem Zahnarzt. Sie atmete tief ein und wieder aus. »Der Zahn ist in Ordnung«, sagte sie.
    »Er ist großartig«, stimmte er zu, während er sie mit einer Handbewegung in den Behandlungsstuhl bat, »wenn ich das mal so sagen darf.«

- 16 -
    D ie »Ode an die Freude« war eins der ersten Stücke, die Morgan gelernt hatte, als sie zwei Jahre zuvor mit dem Cellospielen begonnen hatte. Nach langem Üben hatte sie es ihren Eltern vorgespielt. Daran konnte Dana sich lebhaft erinnern: Morgans konzentriertes Stirnrunzeln, während sie sich bemühte, jeden Ton korrekt zu treffen, und ihr vor Stolz gerötetes Gesicht, als sie fertig war und aufblickte, um die Reaktion ihrer Mutter zu sehen. Dem wich ein Ausdruck leichter Empörung, als sie ihren Vater anschaute, dessen Augen sonderbar feucht waren.
    »Dad«, hatte Morgan geschimpft, »deine Allergie schlägt wieder zu!«
    Zu keiner Reaktion fähig, hatte Kenneth Dana angeschaut. Darauf hatten sie einen Blick gewechselt, ein seltenes Beispiel von reinem, vollkommenem Einverständnis. Ja , hatte dieser Blick gesagt, dies ist wirklich unsere Tochter. Dieses schöne, begabte, menschliche Wesen ist ein Geschenk, und wir haben es geschaffen.
    Kenneth hatte nach Danas Hand gegriffen und sie so fest gedrückt, dass sie dachte, er würde ihr den kleinen Finger brechen, was ihr aber egal war. Sie hatte den Druck erwidert und gesagt: »Morgan, kannst du Daddy ein Taschentuch holen?«
    »Sieht aus, als bräuchte er eine ganze Schachtel «, hatte Morgan beim Hinausgehen gemurmelt.
    Kenneth hatte Dana zu einer raschen, aber kraftvollen Umarmung an sich gezogen. »Danke«, hatte er geflüstert. Es schien das »Danke« zu sein, auf das sie während ihrer ganzen Ehe gewartet hatte – ein Danke für alles, einfach alles. »Dank dir «, hatte sie zurückgeflüstert.
    Noch lange nachdem Morgan mit den Kosmetiktüchern zurückgekommen war und sie beide

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