Die Zufalle des Herzens
ihre Tochter mit Lob und Zuneigung überschüttet hatten, blieb die ungetrübte Reinheit dieses Augenblicks ihnen erhalten. Noch wochenlang gingen sie fürsorglicher miteinander um und fühlten sich stärker zueinander hingezogen als in den Jahren zuvor. Er rief sie von der Arbeit aus an, um zu erfahren, was sie gerade tat, und sie kochte ihm alle seine Lieblingsgerichte. Tagsüber waren sie liebevoll, nachts leidenschaftlich.
Irgendwann ließ das nach. Ihre Gespräche glitten wieder in die schlichte Vermittlung von Informationen ab: die Klärgrube musste leergepumpt werden; Grady hatte wieder Kontakt mit Giftefeu gehabt. Sie gingen zu unterschiedlichen Zeiten schlafen, nicht mehr zusammen, um noch zu kuscheln. Mit einer bleiernen Traurigkeit erkannte Dana, dass diese Rückkehr zu einer geschäftsmäßigen Beziehung sie damals nicht überrascht hatte. Sie hatte gewusst, dass sie nie diese Art unauslöschliche Liebe erreichen würden, auf die sie all die Jahre zuvor gehofft hatte. Kenneth war anscheinend zu derselben Erkenntnis gekommen. Kurz darauf, errechnete Dana später, hatte er Tina kennengelernt.
Für Dana war die »Ode an die Freude« aber nicht etwa die Erinnerung an ein Scheitern, sondern sie war zu einem Vorspiel der Hoffnung geworden. Dieses Gefühl völliger Verbundenheit war möglich; wenn sie es ein Mal für diese paar wenigen Wochen mit Kenneth erreicht hatte, würde sie vielleicht irgendwann eine neue Chance bekommen. Beim nächsten Mal würde es dann vielleicht halten.
Dana hatte eingehenden Anrufen von Morgan den Klingelton »Ode an die Freude« zugewiesen. Der ertönte auf ihrem Handy, als sie gerade den Parkplatz der Zahnarztpraxis verließ. Der Anruf war kurz. »Kann ich mit zu Kimmi gehen?«, rief Morgan aus dem lauten Bus.
»Natürlich. Wann soll ich dich abholen?«
»Ich kann dich nicht hören! Ich ruf dich von Kimmi aus an!«
Als Dana auf ihr Haus zufuhr, konnte sie den avocadogrünen Kombi in ihrer Einfahrt stehen sehen. Für einen Moment hatte sie den Impuls weiterzufahren, vielleicht Grady damit zu überraschen, dass sie ihn von der Schule abholte. Aber Grady liebte die Busfahrt nach Hause mit ihrem zuverlässigen Rowdytum. Im Übrigen war Jet nur ein Mädchen im Teenageralter, ermahnte sich Dana, und nicht Mitglied irgendeines vorstädtischen Drogenrings. Du kriegst das hin , beharrte sie. Geh jetzt und lerne Alders Freundin kennen.
Die Mädchen waren in der Küche, Jet an ihrem Handy, während sie gesalzene Mandeln aus einer Dose aß. »Auf keinen Fall«, sagte sie, geräuschvoll auf den Nüssen herumkauend. »Hey!« Alder stupste sie an, worauf sie eine Hand hob und Dana einen flüchtigen Blick zuwarf, eine bemüht lässige Geste, die ebenso dreist wie unsicher wirkte. Dana lächelte und wandte sich an Alder. »Wie war die Schule?«
Alder zuckte die Schultern. »Schulmäßig.«
Jet stopfte sich noch eine Mandel in den Mund und sagte: »Ich hoffe, du hast ihm gesagt, dass er ein Vollidiot ist.«
Dana versuchte, sich auf Alder zu konzentrieren. »Hast du den Eindruck, dass du deinen ganzen Lernstoff aufgeholt hast?«
»Hmm?«, sagte Alder zerstreut. »Mehr oder weniger.« Wieder stupste sie Jet an.
Zum Zeichen, dass sie in einer Minute fertig sein würde, streckte Jet einen Finger in die Luft. »Das habe ich nicht gesagt, und ich würde es nicht sagen, und ich habe so die Nase voll davon«, und dann klappte sie das Handy zu.
»Jet, das ist meine Tante Dana«, sagte Alder, Jets Aufmerksamkeit auf sich lenkend, ehe sie wieder abschweifte.
»Hi, Tante Dana.« Jet grinste etwas zu strahlend.
»Kann ich dir was zu trinken holen, Jet?«, sagte Dana. »Diese Mandeln sind ziemlich salzig.«
Jet warf Alder einen fragenden Blick zu, bevor sie sagte: »Äh, klar. Haben Sie Red Bull?«
»Red Bull?«, fragte Dana erstaunt. War das nicht etwas, was Musiker und Promis tranken? Sie wusste nicht mehr, ob es Alkohol enthielt.
Alder lachte. »Das ist einer dieser Energydrinks mit einer gefühlten Tonne Koffein drin.« Sie gab ihr einen Klaps auf den Arm. »Und nein, Jet, meine Tante hat für ihre Kinder keinen Red-Bull-Vorrat angelegt. Sie ist eine verantwortungsvolle Mutter.«
Jet lächelte verschmitzt. » So verantwortungsvoll sieht sie auch nicht aus.« Das war eindeutig ein Kompliment. »Ich wette, sie hat irgendwo einen Geheimvorrat.«
»Bitte«, schnaubte Alder. »Und falls sie einen Geheimvorrat hätte, wäre es garantiert kein Red Bull!«
»Was wäre es denn dann?«, fragte Jet
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