Die Zufalle des Herzens
ich weiß nicht, was. Das nervt mich wahnsinnig.«
»Wann hat es angefangen?«
»Wenn ich bloß wüsste. Vor zwei, drei Monaten vielleicht? Anfangs hab ich gedacht, sie wäre blockiert und ließe es an mir aus. Ungefähr sechs halbfertige Bilder liegen unten an der Kellertreppe, wo sie sie hingeschmissen hat.« Noch ein tiefer Seufzer. »Aber irgendwie hat sie sich … nicht wieder berappelt. Sie ist kein launisches Kind, Dana. Manchmal wird sie sauer, aber sie reißt sich immer wieder zusammen.«
Dana setzte sich auf den Fliesenboden. Einen Moment lang verharrten die beiden Schwestern in schweigendem Nachdenken über ihre Lieblingssechzehnjährige. Dana überlegte, ob sie Connie erzählen sollte, dass Alder gekifft hatte, entschied sich jedoch dagegen. Alder hatte versprochen, dass das nie wieder vorkommen würde, und Dana vertraute ihr. Am besten konzentrierten sie sich auf Dringenderes. »Du weißt von Ethan, oder?«, sagte sie.
Connie wusste, dass Ethan irgendwann im Sommer aufgehört hatte zu kommen, und dann ans College nach Vermont gegangen war. Dana erzählte ihr von seinen Anrufen und Alders wütender Reaktion.
»Er hat hier angerufen, und ich hab ihm deine Nummer gegeben. Armseliges kleines Arschloch«, murmelte Connie. »Sie hat diesen Knaben vergöttert – sie war mit ihm richtig eng befreundet. Dann muss er etwas Fürchterliches gemacht haben, dass sie so reagiert hat …«
»Sie will es mir nicht erzählen.«
» Bring sie dazu, dass sie es dir erzählt.«
»Und wie soll ich das anstellen, Connie? Sie mit Gummibärchen bestechen?«
»Wie du es früher immer gemacht hast. Glaub übrigens nicht, ich hätte das nicht gewusst.«
»Ich habe sie nicht bestochen, sondern sie ihr gegeben.«
»Um das Kind zucker- und chemikaliensüchtig zu machen, wie du es bist?«
»Nein, Connie. Weil sie sie mochte.«
Connie prustete leise, ihr Zeichen, dass sie dem Thema genug Aufmerksamkeit gewidmet hatte. »Du hättest mich wirklich anrufen müssen, Dana.«
»Ich weiß.« Dana biss sich auf die Daumenspitze. »Es sah einfach so aus, als könnte sie sich hier ein bisschen davon erholen. Ich hatte Angst, du könntest sie zwingen, nach Hause zu fahren.«
»Jetzt bist du diejenige, die mir nichts zutraut!«
»Tut mir wirklich leid.« Sie vereinbarten, öfters miteinander zu telefonieren, und Dana sagte gerade: »Bye, Connie«, als Alder zur Tür hereinkam. Sie sah Dana besorgt an, bevor sie ihr die Arme um die Taille schlang. »Ich kann doch noch bleiben, oder?«, flüsterte sie.
»Natürlich, Süße.« Dana erwiderte ihre Umarmung. »So lange, wie du willst.«
- 21 -
M organ war nach der Schule mit zu Kimmi gegangen und zum Abendessen geblieben. Jetzt fuhr Dana durch die dämmrige Stadt, um sie abzuholen. Die Sackgasse kam ihr ohne all die neueren Automodelle, die sie während der Party nur wenige Tage zuvor bevölkert hatten, merkwürdig still vor. Als Dana die gewundene Auffahrt hinaufging, klimperten ihre Autoschlüssel an dem Ring, der von ihrem Finger baumelte.
Während die eine Hand den Klingelknopf drückte, fuhr sie sich mit der anderen durch die Haare und blieb dabei an den kleinen Kletten hängen, die sich im Laufe des Tages gebildet hatten. Die Bürste in ihrem Auto war schon wieder verschwunden, vermutlich in Morgans Rucksack. Dana wünschte, sie hätte eine Haarbürste, die für Notfälle wie diesen immer griffbereit war. Aber hatten Mütter überhaupt etwas, was nur ihnen gehörte? Dana mit Sicherheit nicht. So etwas wie »meins« gibt es nicht , dachte sie, während sie dastand und wartete, dass man ihr Einlass gewährte. Alles, was mir gehört, ist Allgemeingut.
Nora öffnete die Tür, ihr Blick glitt über Dana wie Wasser über glatte Steine in einem Flussbett. »Sie sehen gut aus – noch was vor heute?«
»Oh, danke. Nein, ich habe heute eine neue Stelle angefangen und hatte keine Zeit, mich umzuziehen.«
»Neue Stelle!« Nora bat Dana in die granatapfelfarbene Diele. »Gut für Sie! Wo?«
»Ach, nicht doch.« Mit einer Handbewegung wischte Dana Noras Begeisterung weg. »Es ist nichts Aufregendes. Ich habe ein paar Stunden in der Praxis meines Zahnarztes übernommen. Seine Sprechstundenhilfe brauchte von jetzt auf gleich Urlaub, und er war verzweifelt.« Das war keine Lüge, sagte sich Dana; es war eine ziemlich unvollständige Aufzählung dessen, wer was brauchte.
»Ach so.« Noras Lächeln blieb strahlend, ihre Begeisterung ließ jedoch nach. »Na, Sie sind ja wirklich eine
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