Die Zufalle des Herzens
schlug die Manschetten zurück. Mit zusammengekniffenen Augen besah sie sich die Bluse kritisch, zog die Schultern zurecht und zupfte am Kragen, bis die Spitzen in perfekter Symmetrie herunterhingen. Dann drehte sie Dana so, dass sie in einen riesigen Spiegel schaute, der über einer niedrigen Kommode hing.
»Genial«, hauchte sie. Dana war sich nicht sicher, ob sie damit sich selbst oder die Bluse meinte.
Die beiden Frauen brachten eine ganze Weile damit zu, sich gegenseitig von der absoluten Perfektion der Bluse vorzuschwärmen: Man könne sie zu eleganten Jeans oder einem bodenlangen Rock tragen, ihre Farbe bringe Danas rotblondes Haar zur Geltung, ihr Schnitt sei auf so raffinierte Weise vorteilhaft, dass niemand sagen würde: »Oh, wie vorteilhaft« – die Leute würden einfach finden, dass sie super gut aussehe.
Die ganze Zeit über dachte Dana: Ich werde mich nie mit etwas auch nur annähernd so Perfektem revanchieren können . Die Tatsache, dass Nora für die Bluse nichts bezahlt hatte, spielte dabei keine Rolle. Ihr wurde ganz schwummrig bei dem Gedanken, dass Nora eines Tages erkennen würde, dass Danas Möglichkeiten, Geschenke zu machen, nie an die ihren herankommen würden.
»Mom?« Morgan stand in der Tür und starrte sie an. »Wem gehört denn die?«, fragte sie.
»Also … das ist …«
»Sie gehört ihr!«, trällerte Nora. »Nur ein winzig kleines Geschenk aus dem Laden. Sieht deine Mutter nicht umwerfend aus?«
»Hm«, machte Morgan. »Doch. Mom, können wir bald gehen? Ich muss noch einen Haufen Zeug für Gemeinschaftskunde lernen. Ich muss alles über China wissen.«
Dana fiel auf, wie blass sie aussah; ihre Lippen wirkten blutleer. »Klar, mein Schatz. Geh schnell deine Sachen zusammenpacken.«
Morgan hielt eine Plastiktüte mit ihrem Kostüm hoch. »Bin startklar«, sagte sie, und den Blick auf Nora gerichtet: »Danke, dass ich hier sein durfte.« Dann drehte sie sich um und ging durch den Flur zurück.
Auf der Heimfahrt fragte Dana Morgan nach ihrer Nacht, aber Morgan war nicht sehr gesprächig. »Ich bin total müde«, sagte sie. »Ich glaube, wir haben ungefähr anderthalb Minuten geschlafen.«
»Warum bist du nicht ins Bett gegangen, wenn du so müde warst?«
»Weil Kimmi nicht wollte, und es ist ihr Haus.«
An einer Ampel ließ Dana das Auto zum Stehen kommen. »Morgan«, sagte sie und wandte sich ihr zu, »wenn du ins Bett gehen wolltest, hättest du es ihr auf nette Art sagen und dich dann hinlegen sollen.«
Als Morgan sie ansah, hob sich für einen Moment der Nebel der Erschöpfung um sie. »Klar«, sagte sie. »Als ob man sich mit der Gastgeberin anlegen würde.«
Dana war verblüfft. »Wenn es Unsinn ist, was sie macht, würde ich das tun«, beharrte sie.
»Das sagst du jetzt bloß, aber du würdest dich trotzdem nach den anderen richten. Du bist nämlich ausgesprochen höflich, Mom. Du würdest mitmachen.«
Die Ampel wechselte auf Grün, und Dana musste nach vorne schauen. Morgan lehnte sich zurück an die Kopfstütze und schloss die Augen.
Tina, dachte Dana, kaum dass sie am Sonntagmorgen die Augen aufgeschlagen hatte.
Und: Sie sollte lieber nicht versuchen, allzu freundlich zu sein.
Und: Was zieht man an, wenn man die Frau trifft, die einem die Ehe kaputt gemacht hat?
Sie standen auf dem Parkplatz der Highschool, gleich neben dem Spielfeld, doch weder Morgan noch Alder stiegen aus. Sie warteten, bis Dana als Erste ihre Tür geöffnet hatte. Sie hatte es ihnen auf der Fahrt hierher erzählt.
»Dad bringt Tina mit«, war alles, was sie gesagt hatte, und sie hoffte, dass es sich so angehört hatte, als sei es keine große Sache.
Das war ihr anscheinend nicht geglückt. Für den kurzen Rest der Fahrt hatten die beiden geschwiegen. Und als sie jetzt zu dritt auf das Spielfeld zugingen, flankierten die beiden sie wie Bodyguards. Kenneth und Tina standen am Maschendrahtzaun, gleich hinter der Bank der Heimmannschaft. Kenneth reichte eine Wasserflasche über den Zaun, die Grady entgegennahm, um dann wieder zu seinem Team zurückzukehren.
Bringen wir das hier bloß schnell hinter uns , dachte Dana und bewegte sich geradewegs auf sie zu. »Wollt ihr Mädchen uns nicht schon mal oben auf der Tribüne Plätze besetzen?«, sagte sie. »Ich geh nur mal kurz Hallo sagen.«
»Ich auch«, sagte Morgan.
Alder legte einen Arm um sie. »Komm schon, Cousinchen«, sagte sie und bugsierte Morgan in Richtung Tribüne.
Kenneth entdeckte sie als Erster; seine Haltung straffte
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