Die Zufalle des Herzens
Indem er Dana seine freie Hand auf die Schulter legte, lenkte er sie in dieselbe Richtung. Seine groÃe Hand mit den dicken Fingern auf ihrem Rücken zu spüren, brachte sie durcheinander.
»Er hat Sie gebeten �«
»Also wissen Sie, mit einem Namen wie Grady â¦Â«, sagte Coach Ro, als wäre das offensichtlich. »Wie kommtâs, dass sein Vater nie da ist? Spätschicht?«
»Also, ja ⦠Er ist â¦Â« Was war er doch gleich? »Er ist im Vertrieb tätig und viel auf Reisen.« Und was stimmte mit dem Namen Grady nicht? »Also ⦠er lebt jetzt in Hartford. Er ist nicht ⦠Wir sind nicht â¦Â« Den Blick auf sie gerichtet, wartete Coach Ro geduldig darauf, dass sie aus ihrem Wörtersalat richtige Sätze bildete, und das verwirrte sie ebenfalls. »Wir sind geschieden.«
Seine Ohren rutschten ein paar Millimeter in seinen rotblonden Bürstenschnitt zurück. »Ach.« Einen Herzschlag später fuhr er fort: »Dann macht es Ihnen also nichts aus, wenn ich ihn Stelly nenne, oder? Für ein Kind ist es gut, einen Spitznamen zu haben.«
Ja, schon, einen Spitznamen wie Buddy oder Chip oder sogar G, wie Alder ihn nannte. Aber Stelly?
Der Trainer wandte sich zum Gehen und rief ihr über die Schulter zu: »Kommen Sie weiterhin zum Training. Es ist gut, wenn Sie hier sind.« Mit einem Lächeln drehte er sich noch einmal zu ihr um und winkte ihr zu. Dann stieà er an den Kotflügel seines wuchtigen schwarzen Pick-ups und wäre fast vornübergestolpert. Sein Blick huschte zu ihr hinüber, um zu sehen, ob sie es bemerkt hatte. Dana wandte rasch die Augen ab, um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen.
Als sie Grady von seinen bockspringenden Mannschaftskameraden wegholte, murmelte sie ihm zu: »Warum hast du ihn gebeten , dich Stelly zu nennen?«
Er zuckte die Schultern und gab ihr seinen Helm. »Klang einfach cooler als Grady.«
Morgan war nach der Schule mit zu einer Freundin nach Hause gegangen. Na ja, also nicht direkt einer Freundin, sondern einem Mädchen, das wie Morgan im Orchester der Middle School Cello spielte. Morgan war mit dem Stück, das sie für ein bevorstehendes Konzert einüben musste, nicht zurechtgekommen und hatte Dana damit in den Ohren gelegen, dass sie ihr helfen solle.
»Wie oft habe ich dir schon erklärt, dass ich keine Noten lesen kann, mein Schatz!«, hatte Dana letzte Woche in ziemlich heftigem Ton zu ihr gesagt. »Genauso gut könntest du mich bitten, dir ⦠keine Ahnung ⦠Boxen beizubringen.«
Sie hatte angeboten, ihr einen Lehrer zu suchen, worauf Morgan geantwortet hatte: »Vergiss es. Auf gar keinen Fall soll irgend so ein musikalisches Genie herkommen, um mir zu sagen, wie schlecht ich bin. Das weià ich schon selbst.«
Dana wusste sich keinen Rat. Es war hoffnungslos. An diesem Morgen hatte ihre Tochter dann erwähnt, dass sie zum Ãben mit zu diesem Mädchen nach Hause gehen würde, und gefragt, ob Dana das Cello nach der Schule dort abgeben könne. Problem gelöst.
»Du hilfst ihnen zu viel«, sagte Kenneth oft. Er war aber nicht da und konnte die Tränen und die Enttäuschung nicht sehen, ebenso wenig wie er da war, als so ein muskelbepackter Trainer anfing, seinen Sohn Stelly zu nennen. Kenneth konnte seinen Rat getrost für sich behalten.
Irgendetwas störte die Stille des Hauses, bemerkte Dana, als sie für Grady ein Sandwich mit Erdnussbutter und Ketchup bestrich. Das Haus gab ein brummendes Geräusch von sich, ein leises Konzert aus den elektrischen Seufzern von Kühlschrank, Heizkessel und verschiedenen kleineren Geräten. In das gewohnte Haushaltsbrummen mischte sich jedoch eine eigenartige Schwingung. Und wo war Alder?
Dana ging den Flur entlang zum Fernsehzimmer. Zeitschriften und Bücher lagen auf dem Boden verstreut, als wären sie aus einem niedrig fliegenden Flugzeug abgeworfen worden. Sie fragte sich flüchtig, ob jemand eingebrochen war. Aber Morgans und Gradys Zimmer waren oft durcheinander. Gradys sah manchmal aus, als hätten dort die Vandalen gehaust.
Und dennoch stimmte etwas nicht. Dana hörte ein ganz leises Schnaufen, bevor sie Alder mit an die Brust gezogenen Knien entdeckte, zwischen das hintere Ende der Couch und die Wand gequetscht. Sie hatte offensichtlich geweint und versuchte jetzt, mit aller Macht aufzuhören. Dana kauerte sich zu ihr in die Ecke und
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