Die Zuflucht der Drachen - Roman
unfair.« Torina hielt inne und fuhr sich mit langen Fingernägeln über die Mundwinkel. »Andererseits, solltest du versuchen zu fliehen, bliebe mir nichts anderes übrig, als dies mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu vereiteln.« Ihre Augen glitzerten.
»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, meinte Kendra.
»Nein, sicher nicht«, pflichtete Torina ihr bei. »Die Fenster sind alle versperrt. Von unsichtbaren Gitterstäben, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Die Türen sind abgeschlossen und zusätzlich magisch gesichert. Selbst wenn ich dich unbeobachtet ließe, hättest du keine Aussicht zu entwischen. Und ich habe Wächter und meinen Wisperhund.«
Oma und Opa Sørensen hatten einen Wisperhund, der die Gefangenen im Keller bewachte. Kendra wusste nicht allzu viel über dieses Wesen. »Was tut ein Wisperhund?«
»Komisch, dass du gerade jetzt fragst«, bemerkte Torina und ging zu der Tür, durch die Kendra hereingebracht worden war. Sie öffnete sie und sprach einen Befehl in einer fremden Sprache. Ein Schwall kalten Windes fegte herein. »Halte ganz still, Kendra.«
Kendra saß starr auf dem Holzboden, während ein frostiger Luftwirbel um sie herumkreiselte. Der Windhauch flaute etwas ab, und die Luft wurde sogar noch eisiger – eine schneidende Kälte, die Kendras Zähne klappern ließ. Sie hielt den Atem an, während die klirrende Luft sie seltsam liebkoste.
Dann gab Torina einen weiteren unverständlichen Befehl, der Kältewirbel zog sich zurück und strömte zur Tür hinaus.
»Jetzt, da der Wisperhund deine Witterung aufgenommen hat, kommt eine Flucht nicht mehr in Frage«, sagte Torina und schloss die Tür. »Die Gitterstäbe an den Fenstern sind unnötig und überflüssig geworden, genauso wie meine Gehilfen, die dich ohne Zweifel scharf im Auge behalten werden, wie auch die Zauber, mit denen ich die Türen belegt habe.«
»Ich hab’s kapiert«, erklärte Kendra düster.
»Um deinetwillen will ich das hoffen. Und nun, mein Liebes, ich weiß, es ist nicht deine Schuld, aber du stinkst nach Holzrauch und Baumharz. Es tut mir leid, dass ich dich da draußen im Freien habe warten lassen. Eine solche Folter ist grausam und eigentlich nicht meine Art, aber der gute Rex musste alles tun, um nicht aufzufallen. Unsere erste Aufgabe wird sein, dich wieder in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen. In meinem Badezimmer findest du frische Kleider sowie alle anderen Annehmlichkeiten, die du dir wünschen magst.«
Torina bedeutete Kendra, ihr zu folgen, und ging mit klackernden Absätzen zu einer Tür, die in ein geschmackvoll eingerichtetes Badezimmer führte.
Kendra strich mit einer Hand über eine Ablage aus Granit und betrachtete die darauf drapierten Kosmetikartikel, die bestimmt eine Menge Geld gekostet hatten. Die betörenden Düfte feiner Seifen und Lotionen vermischten sich in der Luft. Sanfte Lichter säumten den Spiegel über der Ablage. Kendra fand, dass ihr Spiegelbild ungewöhnlich hübsch aussah.
»Erstaunlich, wie sich die richtige Beleuchtung auf den Teint auswirkt«, bemerkte Torina beiläufig. »Hier sind deine Sachen.« Sie strich über ein dickes, weiches Handtuch und deutete auf ein grün-weiß kariertes Kleid. »Du kannst den Whirlpool oder die große Dusche benutzen. Und was Shampoos und Waschlotionen betrifft: Was mein ist, ist auch dein. Ich lasse dich jetzt ein wenig ungestört. Solltest du etwas brauchen, bin ich in der Nähe.«
»Danke«, sagte Kendra.
Torina verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Kendra sperrte zu. Das Badezimmer hatte ein Fenster aus undurchsichtigem Glas, groß genug, dass ein Mensch hindurchpasste. Um sicherzugehen, dass die unsichtbaren Gitter nicht nur eine List waren, öffnete Kendra das Fenster. Es schien direkten Zugang zum Dach zu bieten, aber als Kendra die Hand ausstreckte, konnte sie, ganz wie Torina gesagt hatte, metallene Stäbe spüren, die jeden Weg in die kalte Nacht versperrten. Mit einem Seufzen schloss sie das Fenster.
Kendra verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an die Wand und ließ nachdenklich ihren Blick durch das opulent ausgestattete Badezimmer schweifen. Eine schäbige Zelle wäre ihr beinahe lieber gewesen. Das wäre ihr ehrlicher erschienen. Kendra schätzte das bloße Vortäuschen von Gastfreundschaft nicht. Torina kam ihr vor wie eine dieser hübschen tropischen Blumen, die sich von arglosen Insekten ernährten.
Andererseits – dies war ein hübsches
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