Die Zuflucht der Drachen - Roman
sichergehen, dass sie auch außer Reichweite des Drachenatems war, und so hastete sie weiter. Allerdings durfte sie auch nicht zu weit laufen, damit der feurige Atem sie nicht vielleicht von der anderen Seite erwischte.
Kendra tastete sich die Wand entlang, bis sie das Gefühl hatte, weit genug gelaufen zu sein. Dann stellte sie den Rucksack auf den Boden, öffnete die Klappe und stieg die Leiter hinunter.
»Ich habe viel Lärm gehört«, sagte Warren.
»Gavin ist ein Drache«, brachte Kendra mit zitternder Stimme hervor. Sie übersprang die letzten Sprossen, ließ sich fallen und landete in der Hocke.
»Was?«
»Ein riesiger, schwarzer Drache. Er hat Dougan gefressen. Und Mara getötet.« Während sie das sagte, hatte Kendra eher das Gefühl, ihren eigenen Worten zuzuhören, als sie selbst auszusprechen. Wie konnten diese Worte wahr sein? »Er hat versucht, mich zu töten. Er hat mir einen Hieb quer über die Brust versetzt, bevor er davongeflogen ist, um gegen zwei andere Drachen zu kämpfen. Der Brustpanzer, den ich unter meinen Kleidern trage, hat mich gerettet.« Im Licht von Warrens elektrischer Laterne begann Kendra, ihre Ausrüstung zu durchwühlen.
»Ich glaub’s einfach nicht«, murmelte Warren.
»Glaub es lieber«, erwiderte Kendra und prüfte ihre Taschenlampe. Sie funktionierte. »Wir sind in der Krebsgangkluft, allein. Seth und Tanu sind vielleicht mit den Greifen entkommen. Trask haben wir zurückgelassen. Er hat sich gasförmig gemacht.« Sie ergriff einen einfachen Holzstab mit Rasseln an der Spitze.
»Der Regenstock von der Verlorenen Mesa?«, fragte Warren.
»Wir brauchen schlechtes Wetter«, erläuterte Kendra. »Wer weiß, wie lange Gavin noch da draußen ist und mit den anderen Drachen kämpft? Wer weiß, wie viele Drachen noch auftauchen könnten? Ich werde dieses Ding schütteln, bis wir den größten Sturm haben, den Wyrmroost je erlebt hat.« Kendra ging wieder zur Leiter hinüber. »Bin bald wieder da.«
»Warum schüttelst du ihn nicht hier unten?«, fragte Warren.
»Ich bin mir nicht sicher, ob hier unten zu schütteln auch für da oben gilt«, meinte Kendra. »Ich mache mir schon genug Sorgen darüber, dass Thronis fähig sein könnte, das Wetter, das ich heraufbeschwöre, wieder abzumildern.«
»Viel Glück«, sagte Warren. »Beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten versteckst du den Rucksack und kommst runter.«
»Alles klar«, erklärte Kendra, die bereits auf der obersten Sprosse war. Sie zwängte sich aus dem Rucksack, schaltete die Taschenlampe ein und fing an, energisch den Stab zu schütteln. Der Tag draußen war relativ mild gewesen, mit leichtem Wind und ein paar harmlosen Wolken am Himmel. Sie hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, einen großen Sturm heraufzubeschwören, vor allem falls Thronis versuchte, ihn zu verhindern. Es würde vielleicht nicht rechtzeitig funktionieren, bevor Gavin oder andere Feinde sie holen kamen. Vielleicht würde es überhaupt nicht funktionieren. Aber sie war es müde, sich zu verstecken, hatte es satt, Angst zu haben. Den Stab zu schütteln war viel besser, als im Rucksack zu hocken und den Kopf einzuziehen.
KAPITEL 27
Navarog
S eth konnte nichts mehr tun. Er konnte sich nicht einmal festhalten. Der Greif hielt ihn an den Schultern gepackt, und wenn die Klauen ihn fallen ließen, würde er in die Tiefe stürzen. Wenn der hartnäckige rote Drache hinter ihnen den Greif tötete, würde Seth zusammen mit dem Greif vom Himmel fallen. Und wenn der Drache sie mit seinem feurigen Atem versengte, würde Seth in den Genuss des seltenen Erlebnisses kommen, gleichzeitig zu verbrennen und in den Tod zu stürzen.
Seth hatte beobachtet, wie der rote Drache Tanu gejagt und den Wald in Brand gesteckt hatte. Als der Greif dann ohne den Samoaner wieder aus den Bäumen aufgetaucht war, hatte der Drache kehrtgemacht, um Seth zu verfolgen.
Mit in der Luft baumelnden Beinen rief Seth seinem Greif zu, er habe die Figuren für Thronis in seinem Beutel. Er hoffte, diese Tatsache würde dem Wesen vielleicht einen zusätzlichen Grund liefern, ihn nicht fallen zu lassen. Es gab für ihn keinerlei Möglichkeit zu erkennen, ob der Greif ihn verstanden hatte.
Nachdem Seth nun schon zweimal mit einem Greif geflogen war, hatte er geglaubt, bereits alles über das Fliegen zu wissen. Aber jetzt merkte er, dass erst ein Drache hinter ihm her sein musste, um einen Greif dazu zu bewegen, wirklich zu fliegen.
Zuerst stieg der Greif mit entschlossenen
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