Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuflucht der Drachen - Roman

Die Zuflucht der Drachen - Roman

Titel: Die Zuflucht der Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penhaligon Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
überlagerten einander, und als seine Konzentration nachließ, verblassten die Geräusche wieder zu unartikuliertem Gewisper. Er blickte sich nach Coulter um, doch der bedeutete ihm nur weiterzugehen. Warum konnte der ältere Mann die Stimmen nicht hören? Das unheimliche Geplapper war nicht nur in seinem Kopf. Er konnte das wirre Getuschel so deutlich hören wie seine Schritte.
    Schon bald erreichten sie das letzte Türenpaar am Ende des Korridors. Die Wand vor ihnen bestand aus einer schwarzen Fläche von Steinquadern, in die drei Halter mit Fackeln eingelassen waren. Seth sah nichts von einer Tür.
    Kendra öffnete das Tagebuch der Geheimnisse, und Opa entzündete eine Umitenkerze. Coulter schaute Kendra über die Schulter.
    »Hier steht, wir sollen die linke und die rechte Fackel anzünden. Dann sollen wir eine Hand auf den mittleren Halter legen und die andere auf den Stein, durch den sich eine Silberader zieht.«
    Coulter hielt seine Fackel dicht an die Wand. Er und Opa begannen die Steinblöcke zu untersuchen.
    »Hörst du die Stimmen flüstern?«, fragte Seth seine Schwester.
    Sie schlug ihm mit der Faust auf den Arm. »Hör auf damit. Du magst die Angst ja nicht spüren, aber ich habe die Hosen ganz schön voll.«
    »Ich mach keine Witze«, beteuerte Seth.
    »Halt jetzt den Mund.«
    Seth trat von ihr weg. Das Getuschel klang deutlicher denn je. Er begann verzweifelt klingende Sätze aufzufangen. »Ich höre euch«, flüsterte Seth so leise er konnte; er tat kaum mehr, als die Wörter mit den Lippen zu formen.
    Das vielstimmige Getuschel brach ab. Ein eisiger Schauer überlief ihn, und die feinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf. Das Kribbeln war nicht etwa die Folge magischer Furcht, die ihn plötzlich überkam, sondern rührte vielmehr von der Überzeugung, dass die Stimmen als Reaktion auf seine Worte verstummt waren. Die bedrohliche Stille sagte Seth unmissverständlich, dass alle Wesen in der Halle des Grauens wussten, er war hier.
    »Hilf mir, Großer Herr, bitte, bitte, hilf mir«, brach eine einzelne zischelnde Stimme das Schweigen. Das seidige Wispern kam aus der Zelle zu seiner Linken.
    Seth biss die Zähne zusammen. Opa und Coulter debattierten darüber, welcher von drei Steinblöcken die offensichtlichsten Silberstreifen enthielt. Kendra hielt den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen. Niemand sonst schien die leise Stimme bemerkt zu haben.
    »Wer bist du?«, wisperte Seth.
    »Befrei mich, und ich werde dir für alle Zeit dienen«, gelobte die Stimme.
    Seth starrte auf die Tür. Er wollte sehen, wer da mit ihm sprach, aber Opa würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er durch das Guckloch spähte.
    »Ja, ja, sieh mich an, schenke mir Gnade, verzeih mir, weiser Herr, und ich werde dir gut dienen.«
    Opa hatte die eine Hand auf einen Steinblock gelegt und die andere auf einen Fackelhalter. Kendra stand neben ihm und gab ihm Anweisungen, was er sagen sollte.
    Die schauerliche Stimme wurde eindringlicher. »Sieh mich an, mächtiger Herr, erbarme dich meiner, sprich mit mir, antworte mir.«
    »Seth!«, sagte Coulter und schnippte mit den Fingern. »Wieso interessierst du dich so für diese Tür?«
    Seth riss den Blick von der Eisentür los. »Ich höre eine Stimme.«
    Opa wandte sich von der Wand ab. »Eine Stimme? Der Dämon in dieser Zelle spricht nicht.«
    »Die Stimme spricht mit mir«, widersprach Seth. »Sie will, dass ich sie befreie. Sie sagt, sie würde mir dienen.«
    »Als wir hereingekommen sind, hat er behauptet, Geflüster zu hören«, erklärte Coulter. »Ich habe ihn nicht ernst genommen.«
    »Du hörst wirklich Stimmen?«, fragte Kendra.
    Die Stimme aus der Zelle fuhr fort, ihn anzuflehen. »Hilf mir, großer Herr, befreie mich.«
    »Ihr hört wirklich nichts?«, fragte Seth zurück.
    »Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet«, sagte Opa und musterte Seth aufmerksam, »außer dass du besser sofort von hier verschwinden solltest.«
    Seth nickte. »Ich denke, du hast recht.«
    Opa blinzelte. Er warf Coulter einen besorgten Blick zu. »Bring ihn nach oben.«
    »In Ordnung.« Coulter ergriff Seths Ellbogen und führte ihn zurück zu der blutroten Tür.
    »Ich werde warten«, versprach die Stimme aus der Zelle. »Bitte.«
    Seth hielt sich die Ohren zu. Er begann nun auch leise, flehende Stimmen aus den anderen Zellen zu hören, und fing an, vor sich hinzusummen, bis er wieder im vertrauten Teil des Kerkers war.
    Als sie auf der Treppe nach oben waren, nahm Seth die

Weitere Kostenlose Bücher