Die Zuflucht der Drachen - Roman
übrigens auch einer der Gründe, warum ich mit dir sprechen wollte. Weißt du, was morgen für ein Tag ist?«
»Ich habe mich schon gefragt, wann du das Thema zur Sprache bringen würdest. Morgen ist die Wintersonnenwende.«
Opa hob eine Hand. Seth warf ihm den Gummiball zu, und Opa begann, ihn auf dem Boden hüpfen zu lassen. »Ich wollte es nicht zu früh erwähnen und damit alle beunruhigen. Es war alles hektisch genug, auch ohne uns Sorgen darum zu machen, dass die heutige Nacht eine Festnacht ist.«
»Müssen wir da keine Vorkehrungen treffen? Kürbisse aushöhlen und all das?«
»Die Kürbislaternen sind nur eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme und bei diesem Wetter nicht sehr praktisch. Ich dachte eher daran, deine Großmutter mit dir und Kendra über Nacht in ein Hotel gehen zu lassen.«
Seth deutete auf den Ball, und Opa ließ ihn zu ihm hinüberspringen. »Ist es nicht gefährlich, das Reservat zu verlassen? Die Gesellschaft könnte Jagd auf uns machen.«
»Wir haben das Pro und Kontra abgewogen. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dich aus dem Schutz, den Fabelheim bietet, zu entlassen, aber die Festnächte scheinen zunehmend gewalttätig zu werden. Wenn die Gesellschaft beabsichtigt, uns dort, wo wir leben, einen Schlag zu versetzen, wird es wahrscheinlich heute Nacht geschehen, wenn es den finsteren Kreaturen freisteht, Grenzen zu überschreiten und den Garten zu betreten. Die Stimmen, die du in der Halle des Grauens gehört hast, haben mir die Entscheidung erleichtert. Zu viele Erscheinungen und Schatten streifen in Festnächten durch das Reservat. Ich will dich nicht hier haben, wenn ihre Stimmen dich erreichen können. Wir werden Tanu und Warren mitschicken, um sicherzustellen, dass euch nichts passieren kann. Ihr werdet bar bezahlen. Es ist nur die eine Nacht.«
Seth nickte. Er warf den Ball gegen die Wand, konnte ihn nicht wieder auffangen und beobachtete, wie er über den Boden davonrollte. »Damit kann ich leben. Ich bin gar nicht scharf auf eine Nacht mit Monstern, die mir verrückte Sachen zuflüstern. Da wir gerade von Tanu und Warren sprechen: Wo sind die zwei?«
»Während wir auf der Suche nach Pattons Botschaft waren, haben sie mit deiner Großmutter Vanessa verhört.«
»Was wollten sie herausfinden?«
»Wir versuchen eine Entscheidung zu treffen, was wir mit ihr machen sollen. Sie hat uns einige Informationen über mögliche Verräter innerhalb der Reihen der Ritter anvertraut. Es ist keiner darunter, den du kennst. Sie behauptet immer noch, ein großes Geheimnis zu kennen, in das sie uns nur einweiht, wenn wir sie freilassen.«
»Wir können sie nicht gehen lassen«, protestierte Seth. »Oma hat recht, dass sie vielleicht nur mit uns spielt.«
»Stimmt. Andererseits, wenn sie sich tatsächlich vom Sphinx abgewandt hat, könnte Vanessa eine wertvolle Verbündete sein. Sie hat bereits freiwillig eine Menge Informationen weitergegeben. Ich kann ihr kaum einen Vorwurf machen, dass sie noch einen Joker im Ärmel behält, solange wir sie nicht freilassen.«
»Gehen wir denn jemals in die Offensive?«, fragte Seth. »Wir sollten den Sphinx aufspüren und uns die Artefakte zurückholen.«
»Wir versuchen es. Trask hält das Haus, in dem Kendra gefangen war, unter ständiger Beobachtung. Kendras Freund Cody hat ihn mit den nötigen Einzelheiten versorgt. Wir glauben, dass der Sphinx sich noch in dem Haus aufhält. Eine Einsatztruppe wird heute Nacht dort eindringen. Ich wünschte, ich wäre zuversichtlicher, was das Gelingen des Unternehmens angeht. Der Sphinx ist gerissen.«
Seth stand vom Bett auf. »Wann brechen wir zu dem Hotel auf?«
»Vanessa bittet immer wieder darum, mit Kendra reden zu dürfen, und deine Schwester hat Interesse bekundet. Deine Großmutter wird das Gespräch überwachen. Nachdem sie miteinander geplaudert haben, machen wir euch reisefertig.«
Kendra wusste, dass ihre alte Freundin hinter der Zellentür wartete. Sie hatte mit dieser Frau sprechen wollen, seit Vanessa vor Monaten in die Stille Kiste gesperrt worden war. Die meisten der anderen hatten bereits mit Vanessa geredet und ihr über ihre Gespräche berichtet. Aber Kendra war nie dabei gewesen. Ihr letzter direkter Kontakt mit Vanessa war ein Brief gewesen, den diese auf den Boden einer Zelle gekritzelt hatte.
»Du brauchst das nicht zu tun«, sagte Oma.
»Ich will mit ihr sprechen«, bekräftigte Kendra. »Ich bin nur ein wenig nervös.«
»Bist du dir sicher?«
Nein, war sie nicht. Aber sie
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