Die Zuflucht der Drachen - Roman
Kalispell in Montana mit Gavin, Dougan, Trask und Mara treffen. Von dort aus würde sie ein gecharterter Hubschrauber zu ihrem Bestimmungsort bringen.
Es würde seltsam werden, Gavin und Mara wiederzubegegnen. Trotz aller Beteuerungen hatte Kendra sich während ihres Briefwechsels ziemlich in Gavin verliebt. Und das Wiedersehen mit Mara würde eigenartig werden, weil die Indianerin seit ihrer letzten Begegnung die Mutter und ihr Zuhause verloren hatte. Opa hatte erzählt, dass sich Mara nach der Zerstörung der Verlorenen Mesa den Rittern der Morgenröte angeschlossen und schnell zu einer ihrer vertrauenswürdigsten Agentinnen entwickelt hatte.
Seth kam hereingestürmt, das Gesicht rot von der Kälte draußen. »Kendra, jemand hat dir ein besonderes Geschenk gebracht.«
»Was meinst du damit?«
»Komm und sieh es dir an.«
Seth führte sie zur hinteren Veranda, wo Verl auf sie wartete. Der Satyr trug einen Rollkragenpulli, hatte einen schwarzen Zylinder auf dem Kopf und wirkte völlig verängstigt. Verkrampft lehnte er am Verandageländer und bemühte sich gleichzeitig verbissen, möglichst lässig zu wirken. Als Kendra die Tür öffnete, strich er sich die Haare hinters Ohr und schenkte ihr ein kleines verlegenes Lächeln. Kendra trat auf die Veranda, und Seth folgte ihr.
Als Verl zu sprechen begann, überschlugen sich seine Worte, als rezitiere er einstudierte Zeilen. »Wie schön, dich zu sehen, Kendra! Was für ein zauberhaftes Wetter heute! Ich hoffe, du hattest ein schönes Fest. Bei mir war es wunderbar! Ich habe ein leckeres Frühstück aus Plumpudding und Walnüssen genossen.«
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Verl«, antwortete Kendra höflich. »Das Bild, das du von mir gemalt hast, hat mir wirklich gefallen.«
Sein Lächeln wurde strahlender. »Eine Kleinigkeit«, gluckste er und fuchtelte affektiert mit der Hand. »Ich versuche mich immer mal wieder ein wenig in den Künsten.«
»Es war sehr lebensecht.«
Verl zupfte an seinen wolligen Beinen. Er sah Kendra kurz in die Augen und wandte den Blick dann schnell wieder ab. »Ich fürchte, mein bescheidenes Porträt ist jetzt überholt. Ich muss ein neues in Angriff nehmen. Du blühst immer weiter auf. An jedem neuen Tag erscheinst du mir holder als am vergangenen.«
Unterdessen versuchte Seth, sein Gelächter als Hustenanfall zu tarnen.
»Du bist sehr nett zu mir, Verl.«
»Ich hatte gehofft, das Brauchtum dieses Festes zu ehren, indem ich dir ein weiteres Geschenk überreiche.«
»Oh, das wäre doch nicht nötig gewesen«, erwiderte Kendra.
»Ich kann nicht anders.« Verl trat zur Seite und gab den Blick auf einen mysteriösen, von einem rotem Tuch verhüllten Gegenstand frei, der fast einen Meter hoch war. »Ich hatte gehofft, dir ein Geschenk zu machen, das deine Schönheit zu vollenden sucht. Und welch herrlicheres Geschenk könnte ich dir machen als dich selbst?«
Mit der Eleganz eines Bühnenzauberers zog Verl das Tuch herunter und enthüllte eine Statue von Kendra. Sie trug eine Toga, eine Hand, von der eine Traube Weinbeeren baumelte, gen Himmel gereckt. Die Statue war sehr kunstvoll ausgeführt.
Seth begann von neuem zu husten. Es klang, als würde er gleich ersticken.
»Wow«, meinte Kendra, »die sieht genauso aus wie ich.«
Verl lächelte schief. »Ich habe noch nie eine so erdrückende Inspiration verspürt. Meine Hände wurden von meiner Bewunderung geleitet.«
»Ich muss mir was zu trinken holen«, keuchte Seth mit Tränen in den Augen und schlüpfte ins Haus. Die Tür war kaum zugefallen, da prustete er lauthals los.
»Seth macht es großen Spaß, mich ein bisschen aufzuziehen«, kicherte Verl. »Es macht mir nichts aus, ab und an mit ihm zu scherzen. Zwischen uns herrscht eine beinahe … brüderliche Zuneigung.«
»Du hast da wirklich Erstaunliches geleistet«, bemerkte Kendra und kniete sich vor die Statue. »Das ist zu viel. Du hättest das nicht tun sollen. Weißt du, ich wollte dir auch etwas schenken, aber es war alles ziemlich hektisch in letzter Zeit.«
Verl wedelte mit beiden Händen. »Nein, halt, bitte, ein Geschenk ist nicht nötig, werte Dame. Ein sanfter Blick, ein freundliches Wort, das ist mehr als genug. Deine bloße Existenz reicht aus, mich für immer in deiner Schuld stehen zu lassen.«
»Dir ist doch klar, dass ich erst fünfzehn bin?«
»Das ist mir nur allzu bewusst. Ich habe mich mit der ernüchternden Realität abgefunden, dass wir niemals ein Paar werden können. Betrachte mich als
Weitere Kostenlose Bücher