Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
Vom Netzwerk:
davon. Über alles, was ich bisher für richtig gehalten hatte, hieß es nun: » Denk nicht mal dran.« Tag für Tag bekam ich gesagt, was ich alles falsch machte, und im Endeffekt bedeutete das: Wenn ich ein normales Mädchen werden wollte, musste ich aufhören, ich selbst zu sein.
    Ich beobachtete Tegan und Bleich eine Weile und dachte kurz darüber nach, zu ihnen zu gehen. Doch Bleich würdigte mich keines Blickes, und als Tegan mir zuwinkte, wirkte die Geste nicht besonders einladend. Schweren Herzens ging ich hinüber zu Pirscher. Er hockte allein auf dem Boden und aß. Mit einem Seufzer setzte ich mich neben ihn.
    Ein Mädchen sollte sich nicht so einfach ins Gras setzen. Oma Oaks beschwerte sich ständig über die Flecken auf meinem Kleid, aber das war mir egal. Ich hasste diese weibische Kleidung. Ich wollte meine alten Sachen zurück, in denen ich mich viel besser bewegen und meine Messer immer bei mir tragen konnte. Ich verstand nicht, warum in Erlösung nur die Männer kämpften. Frauen waren genauso stark und entschlossen, wenn es darum ging, ihr Zuhause zu verteidigen. Es war eine so unglaubliche Verschwendung. Unten, wo ich aufgewachsen war, konnten wir uns so etwas nicht leisten. Wir verwendeten alles, und das so lange, bis es nicht mehr zu gebrauchen war. Die Regeln Oben waren mir ein Rätsel.
    Ich warf einen Blick auf Pirschers Essen. Der Schmied hatte keine Frau, und das bedeutete, dass Pirscher immer nur ganz einfache Speisen dabeihatte. Meistens Brot mit Fleisch, manchmal eine Schale Bohnen.
    Mit neidischen Blicken beäugte er, was ich aus meiner Tasche zog: aufgeschnittenes Fleisch, Karotten und ein kleines Stück Kuchen. Es war gutes Essen. Niemand konnte Oma Oaks nachsagen, sie würde sich nicht angemessen um ihre dickköpfige, unweibliche Ziehtochter kümmern.
    Â» Möchtest du was?« Ich brach den Kuchen in zwei gleich große Stücke, ohne die Antwort abzuwarten.
    Es war Frühling, und das Schuljahr war fast vorbei. Nur noch ein Monat. Ich hatte gehört, im Sommer arbeiteten sie auf Feldern und pflanzten an, was sie im Winter essen würden. Unten hatte ich nur Essen gekannt, das man jagen musste oder irgendwo fand. Dass Nahrung auch aus dem Boden wachsen konnte, war mir neu, doch offensichtlich stimmten einige der Geschichten, die Bleichs Zeuger ihm erzählt hatte. Pilze hatte es Unten zwar auch gegeben, aber das war nicht dasselbe. Es hatte nicht diese Magie.
    Im Sommer brauchten sie Jäger, die die Leute beschützten, die auf den Feldern arbeiteten und sich um die Pflanzen kümmerten. Der Sommer war die einzige Zeit, zu der Patrouillen erlaubt waren, und auch diese Regel schien mir fragwürdig. Wenn ich die Dinge hier in die Hand nehmen könnte, würde ich es anders machen: Wir würden ständig auf Patrouille gehen und so viele Freaks töten wie möglich, damit sie lernten, sich von Erlösung fernzuhalten. Es war Zeit, dass ich etwas anderes zu tun bekam, als mit Nadel und Faden ein Stück Stoff zu bearbeiten.
    Â» Hast du noch mal über das nachgedacht, was ich gestern Nacht zu dir gesagt habe?«, fragte Pirscher.
    Â» Von hier weggehen? Nicht, bevor wir nicht wissen, wohin. Es wäre Selbstmord, einfach ohne Plan loszuziehen.«
    Ich wollte es gegenüber Pirscher nicht zugeben, aber es gab noch andere Dinge, die mich zögern ließen. Ich konnte Tegan und Bleich nicht einfach zurücklassen, auch wenn sie sich hier anscheinend recht wohlfühlten. Zwischen uns vieren bestand ein Band, und dieses Band durfte nicht zerreißen, auch wenn die Leute hier in Erlösung alles taten, um genau das zu erreichen.
    Â» Sehe ich auch so.«
    Â» Kommst du immer noch gut mit Mr. Smith zurecht?«
    Soweit ich wusste, war das ein weitverbreiteter Name, aber er hatte auch etwas mit seiner Aufgabe zu tun. Sein Vater hatte denselben Beruf ausgeübt, hatte Dinge aus Metall hergestellt. Die Siedlung gab es in ihrer heutigen Form schon seit hundert Jahren, behaupteten die Leute hier zumindest. Mrs. James sagte sogar, Erlösung sei ein » historischer« Ort, und seine Wurzeln reichten noch viel weiter zurück, bis zum Aroostook-Krieg. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte, aber für mich klang es wie etwas, das sie sich ausgedacht hatte, und ich hörte kaum hin, wenn sie von der Geschichte der Siedlung schwärmte. Erst wenn ich mich entschieden hatte zu bleiben, würde ich

Weitere Kostenlose Bücher