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Die Zunge Europas

Die Zunge Europas

Titel: Die Zunge Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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weil die Steine ausgingen.»
    Oder Witze:
    1. «Mutti, Mutti, ich kann keine Pickel mehr kriegen.» – «Warum nicht?» – «Kein Platz mehr!»
    2. «Warum gehst du denn immer auf den Balkon, wenn deine Frau singt?» – «Damit alle sehen, dass ich sie nicht schlage.»
    Einen nach dem anderen produziert er, wirklich einen nach dem anderen. Manche sind gut, manche weniger, egal, ich bin sicher, dass er, wenn er sich nicht mit Leib und Seele dem Kaffee verschrieben hätte, der größte Witzeerzähler Deutschlands geworden wäre. Nickname auch in diesem Fall: die Zunge Europas.
    Na ja, auf der einen Seite Onkel Friedrich, auf der anderen ich: Mein Humor funktionierte anders. Mir kamen einzelne Worte in den Sinn: «Fettschürze», «Weltraumdünger», «Analjazz». Weltraumdünger, keine Ahnung, was das sein sollte. Es gibt Sachen, die klingen lustig, und kein Mensch weiß, warum. «Betriebswirtschaft modern – Höschen runter, Ärmel rauf». Hätte auch von Onkel Friedrich sein können, stammt aber aus der «Neuen Revue». Vielleicht war das meine Bestimmung: antiquierte Sprüche vor dem Aussterben zu bewahren und selbst zu produzieren: «Boxkampf zum Jahreswechsel: Silvesterpunch statt Silvesterpunsch». Anderes Wort für abgestandenes Bier: «Prince schal». «Predigt vergessen, Messkelch verschüttet, Talar verschimmelt, Oblaten ranzig – auch Pfarrer sind Menschen». Weiter: «Der Schwanz ist das Kainsmal des Hundes». Mir fiel nur noch wirres Zeug ein: «Dudelsackhose», «Nutten sind die Neger Bulgariens.»
    Wer soll damit bitte etwas anfangen? Derartige «Einfälle»pressen sämtliche Lebensenergie aus einem raus. Vielleicht waren ja kosmische Strahlen, ineinanderverschobene Mondphasen oder extraterrestrische Energiefelder dafür verantwortlich, dass meine verstauchten Synapsen einen derartigen Schrott produzierten. Weltraumschrott. Schluss, Ende, aus, hatte einfach keinen Zweck heute.
     
    Ich hatte zu einer Zeit begonnen, mit Humor Geld zu verdienen, als er mit einem Mal Comedy hieß und sich als ganzjährig verlängerter Arm des rheinischen Karnevals flächendeckend über die Republik ausbreitete. Bis dahin war die deutsche Humorlandschaft überschaubar gewesen und hatte im Wesentlichen aus Loriot, Otto Waalkes, Gerhard Polt, Diether Krebs, Dieter Hildebrandt, Jürgen von der Lippe, Insterburg & Co, Hape Kerkeling, Jürgen von Manger und zur Not auch noch Dieter Hallervorden, Torfrock, Harald & Eddie, Heinz Erhardt, Mike Krüger und Fips Asmussen bestanden. (Der mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein und dem Gedächtnis eines Schachgroßmeisters gesegnete Pointenpapst dürfte genug Witze für einen mehrjährigen Witzemarathon gespeichert haben. In der Zeit, in der Fips Asmussen die Witze erzählt, lernt er schon wieder neue auswendig: ein Perpetuum mobile des Gags.)
    Die ersten humoristischen Gehversuche hatte ich in meiner Schülerzeitung gemacht: Alltagsbeobachtungen, zeittypischer Unsinn,
ätzende
Medienkritik (damals hatte Kritik ätzend zu sein), und Politsatire (Ronald Reagan in Bitburg, oh, là, là) durfte natürlich auch nicht fehlen. Kultig. Als der Begriff noch nicht vollkommen entwertet war. Es herrschte die einhellige Meinung, dass aus mir mal waswerden würde. Rückblickend eine herrliche Zeit, Narrenfreiheit, eine bessere Gelegenheit, mich auszuprobieren, hätte es gar nicht geben können.
    Meine Helden waren Polt und Loriot und natürlich die Begründer der neuen Frankfurter Schule: Waechter, Traxler, Henscheid, Bernstein, Gernhardt, Poth, Eilert, Knorr! Die hatten damals nebenher Otto groß gemacht. Ich sah meine Zukunft ebenfalls als Mann im Hintergrund, Autor, Schreiber, Entwickler (Development – save the Copyrights!), ganz allgemein Strippenzieher. Über ein Zeit, Geld, Nerven und sicher noch eine Menge anderer Sachen raubendes Studium (Journalistik/​Germanistik/​Literaturwissenschaften/​Medienirgendwas) hatte ich dabei nie ernsthaft nachgedacht. Durch Protektion (ehemaliger Klassenlehrer) bin ich erst beim Privatradio und über zwei weitere Umwege (egal, zu langatmig) beim Fernsehen gelandet, als Gagautor für eine Reisesendung mit Comedy-Elementen, ein Mitte der Neunziger populäres Format.
    Die Gags, die ich
abliefern
musste, hatten mit dem, was mir eigentlich vorschwebte, zwar nichts, aber auch rein gar nichts zu tun, aber das fand ich nicht schlimm. Erst mal. Ich war davon überzeugt, dass meine Chance irgendwann kommen würde, dass eine Schnittmenge zwischen dem

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