Die Zusammenkunft
vereinten Kräften klarmachen, daß auch er nicht unbezwingbar war.
Falls Anum nicht schon tot war. Doch daran mochte Landru nicht glauben. Wahrscheinlicher war, daß Gabriels zweite Absicht, mit der er den Klon losgeschickt hatte, aufgehen würde oder schon aufgegangen war: Anum würde das Double vernichten - und glauben, Landru besiegt zu haben.
»Wer bist du?« rief er in den hallenden Korridor. »Ich weiß, daß du da bist - versteck dich nicht! Ich will dir nichts tun!«
Zumindest nicht, wenn du einer von denen bist, die ich hier abholen und
nach Jerusalem führen soll, fügte er in Gedanken hinzu.
Landru erhielt keine Antwort auf sein Rufen.
Ohne Anhaltspunkt, wohin der flüchtige Schatten verschwunden war, wählte Landru ein Tür zu seiner Linken und öffnete sie.
Dahinter -
- lag ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer mit Unmengen von Büchern in Regalen, einem Schreibtisch und einem Ruhesofa. Es war kein Bett, sondern diente offenbar für kleinere Nickerchen.
Der hagere Mann, der darauf lag, war vollständig angezogen. Er schlief und atmete in tiefen Zügen. Sein Gesicht war Landru zugewandt. Die Entspanntheit darin verriet, daß der Schläfer noch nicht auf den ungebetenen Besucher aufmerksam geworden war.
Während Landru den Schlafenden betrachtete, drohte ihn das Gefühl zunehmender Unwirklichkeit zu überrollen. An der Situation, die er hier vorfand, an dem ganzen Szenario stimmte so rein gar nichts. Ein uraltes Gemäuer, und dann das!
Er ging auf den Mann im weißen Kittel zu. Lautlos huschten seine Füße über ein Parkett, das erst gestern verlegt worden schien. Und diese elektrischen Gerätschaften, die Deckenleuchten, die Stehlampen . Es war lächerlich anzunehmen, hier gäbe es Strom, gäbe es elektrisches Licht .
Als er an einem Wandschalter vorbeikam, konnte Landru sich nicht verkneifen, ihn zu drücken.
Sofort flutete Helligkeit den Raum.
Der Mann auf der Liege schrak hoch.
*
»Wer -?«
»- ich bin?« Landru überwand sowohl die Strecke, die sie voneinander trennte, als auch seine Verblüffung. »Viel mehr würde mich offengestanden interessieren, wer du bist!«
Kompromißloser Wille verwandelte sein Gegenüber in eine gehorsame Marionette.
»Dr. Joseph Sisko«, leierte der Mann, der jetzt aufrecht auf der Liege saß.
»Ein Arzt?« Landru schüttelte den Kopf. Nicht, weil er Siskos Aufrichtigkeit in Zweifel zog, sondern weil er sich fragte, was diese Antwort bedeutete. Er streckte die Hand aus und berührte den Hageren. Sein Finger zeichnete eine Linie über die Wange des Mannes. Die Haut platzte auf. Blut von aufreizender Farbe und Konsistenz quoll hervor.
In Landrus Schädel zündete eine kleine kalte Explosion. Das Lebenselixier, das in den Adern dieses Mannes wie im Körper eines jeden atmenden Menschen kreiste, ließ ihn den eigentlichen Grund seines Kommens vergessen. Sofort gruben sich seine Klauen ins Schlüsselbein des Arztes und zerrten ihn hoch. Vampirzähne wucherten über sinnlich-verdorbene Lippen, und dann - jenseits des klaren Verstandes - biß der Gesandte des Teufels zu.
Nicht einmal das durch den Raum spritzende Blut des Hypnotisierten vermochte Landru zu stoppen oder auch nur zu ernüchtern. Versunken in einem Rausch, gegen den er nur halbherzig ankämpfte, ließ er das warme, prickelnde Blut durch seine Kehle rinnen.
Die Schritte im Hintergrund überhörte er in der Ekstase. Erst der Schrei ließ ihn wieder halbwegs zur Besinnung finden.
»Oh, neeeiiiinnn ...!«
Der Siechende entglitt tödlich verletzt Landrus Fingern, die sich reflexartig spreizten und ihn freigaben.
Als Gabriels Bote herumwirbelte, erblickte er die merkwürdigste Frau, die jemals seinen Weg gekreuzt hatte. Ihre Figur war bei weitem nicht perfekt, aber akzeptabel, und ihre blauschwarzen Haare waren schön, wunderschön. Die Augen leuchteten in einem satten Azur, und die Bräune ihrer faltenlos glatten Haut verlieh der unbekannten Schönen zusätzliche Rasse.
Absonderlich war eigentlich nur eines an ihr: ihre Kleidung - oder das, was sie wie Kleidung trug. Auf den ersten Blick erinnerte es an ein bis zu den Knien hinab verlängertes, mittelalterliches Kettenhemd. Erst bei genauerem Hinsehen wurde Landru klar, daß es sich nicht aus Eisengliedern zusammenfügte, sondern aus überaus kunstvoll miteinander verbundenen Knochen. Auch die Schädel kleinerer Tiere waren filigran eingearbeitet.
»Wie konntest du ihn mir wegnehmen, du ...?« Ihr anklagender Blick nagelte Landru
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