Die Zusammenkunft
brach eine Welt zusammen.
Irgendwann war es dann aus ihm herausgebrochen . Er schrie sie an, weinte und verstand die Welt und seine Mutter nicht mehr. Seine Mutter, die immer sein ganzer Halt, seine Stärke gewesen war, tat so etwas Schmutziges und Verletzendes. Unter Tränen gestand sie ihm, dass sein Vater nicht mehr kam, dass auch kein Geld mehr auf dem Konto war, welches er für sie eingerichtet hatte, dass sie mit den Männern für Geld schlief, um für ihn die Schule zu bezahlen.
Von diesem Tag an ging Matthea nicht mehr in die Schule. Er ging nun auch vormittags zu Händlern und bot seine Hilfe an. Sie hatten oft nicht genug zu essen, seine Mutter versuchte Geld mit Nähen und Putzen zu verdi enen, aber es reichte nicht.
Die Stunden, in denen er ihr aus alten, weggeworfenen Zeitungen vorlas, waren ihm kostbar. Gemeinsam saßen sie in dem kleinen Zimmer und sie sog jedes Wort auf und nährte sich mit seinem Wissen. Matthea genoss den Stolz, der das Gesicht seiner Mutter strahlen ließ. Er las ihr von der beginnenden Immobilienkrise in den USA vor. Sie verstanden es nicht und Matthea suchte nach Büchern in der Bibliothek. Der Leiter der Bibliothek hatte eine Tochter, die mit Matthea zusammen in der Schule gewesen war. Matthea hatte ihr immer bei den Hausaufgaben geholfen und aus Mitleid durfte er jederzeit die Bibliothek betreten, aber kein Buch mit nach Hause nehmen.
Bald wusste er alles über die Wirtschaftskrise in Am erika, die ihm den Vater genommen hatte. Wenn Matthea nicht arbeitete, dann war er in der Bibliothek und abends kam er nach Hause und las seiner Mutter vor. Sie schafften es fast ein Jahr, so bescheiden zu leben, dass sie wenigstens jeden zweiten Tag satt wurden. Maria wurde schwächer und auch Matthea sah nicht wie ein Elfjähriger aus. Dann ging seine Mutter wieder zurück auf die Straße.
Matthea versuchte, die Nächte in der Bibliothek zu verbringen, bis man ihn entdeckte und rauswarf. Er kam spät nach Hause und es war wieder einer dieser Männer bei ihr, der stank und fluchte.
Matthea verkroch sich im Kleiderschrank hinter der schief hängenden Lamellentür, so wie es mit seiner Mutter abgesprochen war. Sie wollte nicht, dass die Männer ihn sahen. Er verkroch sich in die am Boden liegende Decke und hielt sich die Ohren zu. Nacht für Nacht.
Eines Tages, Matthea hockte wieder im Schrank und war eingenickt, riss ihn ein Schrei aus dem Schlaf. Der Mann kniete über seiner Mutter, er schlug zu, immer und immer wieder, auf ihr wunderschönes Gesicht, auf ihre braunen Augen, die so viel Liebe gegeben hatten; er schlug so hart zu, dass sie aus dem Bett stürzte und mit dem Gesicht vor dem Schrank zu liegen kam, in dem Matthea sich versteckt hielt. Er sah die Augen seiner Mu tter durch die Spalte zwischen den Schranktüren, ganz nah, sah ihren Blick, der sagte »Ich liebe dich, sei ganz still«. Dann stand der Mann über ihr und trat zu, in den Rücken, in den Bauch und in ihr Gesicht.
Matthea versteckte sich immer tiefer in der Decke, konnte nicht mehr hinsehen, traute sich nicht einen Ton zu sagen, er schrie und weinte, ohne dass ein Laut über seine Lippen gedrungen wäre. Es wurde schwarz um ihn herum, Stille breitete sich in ihm aus und er ließ sich fallen, tief fallen in ein schwarzes Loch, das ihm Ruhe versprach.
Als Darken aus der Dusche kam, war es schon kurz vor Mittag. Er hatte rasende Kopfschmerzen, schon die ganze Woche lang und sie waren von Tag zu Tag schlimmer geworden. Entsprechend schlecht war seine Laune, als es an der Tür klopfte.
Aluinn trat ein. Er stellte wie gewohnt das Tablett mit dem Orangensaft, dem Wasser und den beiden Aspirin auf den Tisch und rückte den weißen Umschlag zurecht, den er zwischen die Gläser gestellt hatte.
Darken wickelte sich ein weißes Handtuch um die Hüften. Wassertropfen liefen an den hervortretenden Adern und Sehnen seiner Oberarme herunter und tropften von seinen Fingern. Die schulterlangen Haare hingen ihm ins Gesicht.
Bevor er nur in die Nähe des Tabletts kam, entfernte Aluinn sich leise und schnell, als ob er Angst vor Prügel hätte, weil der weiße Umschlag da nicht hingehörte.
Darken sah, wie sich die Tür lautlos hinter ihm ins Türschloss flüchtete.
Nachdem Darken damals die erschlagene Amazone aufgehoben hatte, hatte sich ein Netz aus Sternen um i hren Leib gebildet, sie aus seinem Armen schweben lassen und fortgezogen. Wie oft hatte er inzwischen bedauert, dass er sie nicht einmal hatte bestatten können.
Er
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