Die Zusammenkunft
war damals unter den eigenen Verwundungen zusammengebrochen und hätte eigentlich sterben müssen, aber er starb nicht. Stattdessen träumte er von der Amazone. Nacht für Nacht, seit mehr als zweitausend Jahren, stand sie vor ihm. »Verdammt bist du auf ewig! Dein Blut wurde vom heiligen Schwert berührt. Dein Volk, das aus deinem Blute entsteht, wird dich in die Verdammnis begleiten und nur du kannst ihr Erlöser sein. So, wie ich dir die Verdammnis gab, kann nur ich sie dir nehmen. Denn ich bin der Geist der Weißmagie aus dem Haus der Götter, und wenn du weißt zu lieben, wird meine Seele dich erreichen und beherrschen, ist sie bereit, dich grenzenlos und mit Freiheit zu lieben.«
Es war Aluinn gewesen, der ihn damals vom Schlach tfeld gezogen und gepflegt hatte, einem Schlachtfeld, von dem er nur wusste, dass er sein Leben darauf verloren hatte, obwohl er nach wie vor atmete.
Aluinn hatte seine Wunden genäht, und ihr Blut hatte sich dabei vermischt. Sie hatten nicht geahnt, dass der Fluch der Amazone damit auch auf den Diener übergegangen war, der Fluch, der Darken am Leben hielt. Ohne es jemals ausgesprochen zu haben, wussten beide, dass ihr Leben, ihr neues, gemeinsames Leben, an dem Tag begonnen hatte, an dem Darken die goldene Amazone getötet hatte. Es würde auch gemeinsam enden.
Dass Darken seinen Fluch mit Aluinn teilte, machte ihn jedoch nicht leichter zu ertragen. Vielleicht war Aluinn die Verdammnis, die er sich eingehandelt hatte? Und gar nicht nur die Unsterblichkeit?
Mit einem Zug stürzte er das Glas Wasser mit den be iden Aspirin herunter, dann ging er ins Bad zurück, um sich die Haare zu kämmen, die dennoch immer ungekämmt aussahen. Aus tiefen, dunklen blauen Augen sah er sich im Spiegel an; unbewusst strich er über die Narbe. Sie brannte. Er runzelte die Stirn. Plötzlich begann sie zu leuchten und zu bluten. Verdutzt starrte Darken auf das Blut, das aus der Narbe lief, dick und schnell, und sich in dem weißen Handtuch fing, welches er um die Hüfte geschlungen hatte.
Er fluchte, griff nach einem zweiten Handtuch und presste es auf die blutende Narbe. Als er es fortnahm, war kein Blut mehr da, nur die Wassertropfen aus seinem Haar suchten sich noch immer einen Weg durch sein dichtes, schwarzes Brusthaar, sammelten sich in seinem Bauchnabel und versickerten schließlich in dem Handtuch um seine Hüften. Er stöhnte, fasste sich aber und ging langsam zurück und in seinen begehbaren Kleiderschrank. Automatisch griff er nach einer schwarzen Cargohose und einem weißen T-Shirt.
Barfuß lief er über die dicken Teppiche, setzte sich auf das Bett und zog seine Stiefel an. Dann nahm er den U mschlag vom Tablett und riss ihn auf. Verdis »Nabucco«.
Er grinste. Aluinn . Er machte ihn zwar verrückt, aber er war immer im rechten Moment mit der richtigen Idee zur Stelle.
Auf dem Weg zur Tür kam er an ihrem Schwert vo rbei. Regungslos hing es neben seinem. Es war schwer, sein Griff bestand aus massivem Gold. In der Mitte war ein blauer Saphir eingearbeitet. Jeden Morgen, wenn er das Schlafzimmer verließ, ließ er seine Hände über die Klinge gleiten und wünschte sich, damals durch sie gestorben zu sein.
Plötzlich schnellte er zurück. Er hätte schwören kö nnen, dass der Stein gefunkelt hatte! Nein, das war unmöglich. Er war einfach etwas durcheinander. Erst die Kopfschmerzen, dann das ganze Blut... Verdi würde ihn sicher entspannen und wieder in die Realität zurückführen. Und die Arbeit, die sich auf seinem Schreibtisch stapelte.
Auf dem Weg in sein Büro hielt er an der Küche an, öffnete die Tür und sah hinunter in Aluinns zerknittertes Gesicht. Es strahlte so viel Güte und Liebe aus, dass es ihm manchmal schon zu viel war.
»Ich fahre selbst und nehme den Mercedes, wenn du mir einen Smoking besorgst.«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging in sein Büro, das am anderen Ende der großen, ganz mit Marmor ausgelegten Halle lag. Er konnte nicht auch noch Aluinns dankbares Lächeln ertragen.
Als Erstes las er die Financial Times, die Washington Post und das Handelsblatt, danach die Updates der Geschäftsberichte seiner Firmen. 2105 Jahre, das war genug Zeit gewesen, um die Welt und ihre Märkte kennenzulernen und sich ein gewisses Kapital aufzubauen. Und obwohl die meisten seiner Firmen in den USA lagen, hatte er sich nie entscheiden können, Germania, dem früheren Keltenreich, den Rücken zu kehren.
Irgendwann klopfte Aluinn an die Tür, um ihm mitz
Weitere Kostenlose Bücher