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Die Zusammenkunft

Die Zusammenkunft

Titel: Die Zusammenkunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Bauers
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er den gut verborgenen Pfad, der ca. einen halben Kilometer vor der Mauer, die das gesamte Grundstück eingrenzte, herumführte. Er ging los und suchte dabei den Weg nach Veränderungen ab, die nur das Wetter hervorgerufen haben konnte, denn er wusste, dass er der Einzige war, der diesen Weg jemals gegangen war.
    Die Dämmerung war weit fortgeschritten, als er wieder am Ausgangspunkt seines Rundgangs ankam. Die Fenster seines Hauses waren bereits erleuchtet und betonten den schlossähnlichen Charakter des Gebäudes. Ein Schloss ohne Königin.
    Jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die nach altrömischem Vorbild gefertigte Freitreppe in der Halle hinauf und ging in sein Bad, um zu duschen. Während er sich abtrocknete, betrachtete er den auf seinem Bett bereits zurechtgelegten Smoking. Er rubbelte sich die Haare etwas trocken. Dann zog er ein weißes Hemd an und danach den Smoking und die polierten schwarzen Lederschuhe von Hugo Boss. Anfangs hatte Aluinn versucht, ihn dazu zu bewegen, Lackschuhe zum Smoking zu tragen, aber nachdem er dreimal in Folge die Schuhe aus dem Kamin hatte herauskratzen müssen, hatte der grundgeduldige Aluinn es endlich aufgegeben.
    Das Feuer im Kamin glomm nur noch schwach; bei den Temperaturen, die zur Zeit herrschten, wäre ein volles Feuer zu warm gewesen, und wenn erst einmal der So mmer eingekehrt wäre, würden die meisten Kamine im Haus gar nicht mehr angezündet werden. Schade, denn allein das Licht der Feuerstellen vermittelte ihm ein Gefühl der Geborgenheit, auch wenn er das niemals zugegeben hätte.
    Nachdem er sich angezogen und das fast trockene Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte, ging er langsam die Treppe hinunter, nahm die Karte für die Oper vom Tisch und stieg dann in den Mercedes, der bereits vor der Tür auf ihn wartete. Die Ledersitze waren schwarz wie der Wagenlack, und die Scheiben dunkel getönt. Er legte die CD mit »Nabucco« ein und stellte die im dunklen Wu rzelholz eingelassene Klimaanlage an. Ihm war warm, viel zu warm, und seine Narbe begann wieder zu brennen, nicht stark, aber unangenehm. Er startete den Wagen und fuhr langsam die Auffahrt Richtung Tor hinunter, um dann auf die Bundesstraße abzubiegen. In vierzig Minuten würde er in Dresden sein, wo eine reservierte Loge auf ihn wartete.

S irona schwang ihre Beine aus dem Wasserbett, das sie sich in der Hoffnung gekauft hatte, dass ihre Knochen morgens beim Aufwachen weniger schmerzen würden. Was den Rücken betraf, stimmte das auch, aber ihre Hüfte tat immer noch weh. Nicht, dass es Schmerzen waren, mit denen sie nicht leben konnte, aber einmal schmerzfrei aufzuwachen, das wäre doch mal eine Abwechslung gewesen.
    Auf dem Weg ins Bad massierte sie sich unbewusst die rechte Hüfte. Sie drehte die Dusche an und stieg erst aus dem Wasserstrahl, als der ganze Raum in dichten Nebe lschwaden lag. Was für eine Wasserverschwendung. Sie frottierte sich die Haare und öffnete die große Schiebetür zur Loggia. Die Sonne hatte schon ein wenig Kraft.
    Sirona epilierte sich sorgfältig die Beine, rasierte die Achseln und legte ihr typisches, dezentes Make-up auf. Tja, wenn man erst mal die Vierzig überschritten hatte, ging es eigentlich nicht mehr ohne.
    Ihre Mutter arbeitete schon wieder unten in der Küche und sie wusste, wenn sie gleich mit dem Koffer die Treppe hinunterkam, dann stünde ein Becher mit frischem Kaffee für sie auf dem Küchentresen bereit. Es war damals nicht einfach für sie gewesen, ihrer Mutter uneingeschränkten Zugang zu ihrem Familienleben zu gewähren, als sie zusammenzogen, aber sie hatte gewusst, dass ihre Mutter die familiäre Nähe brauchte.
    Sironas Mutter hatte es wahrlich nicht leicht gehabt. Ihre Ehe war zeitlebens schwierig gewesen . Sie und Sironas Vater hatten nach dem Krieg, wie so viele, nur einen niedrigen Bildungsstand. Herbert bildete sich in seinen zehn Jahren bei der Bundeswehr weiter, bis er sich letztendlich als Hotelier selbständig machte. In der Küche war er ein Genie, aber kaufmännisch eine Niete gewesen, so dass er und Omma mit knapp sechzig Jahren in der Pleite endeten.
    Hauptsächlich war es ihre Gesundheit, mit der beide die jahrelange , harte Arbeit bezahlten. Sie hatten alles riskiert, alles gegeben und dann alles verloren. Lediglich die Grundrente blieb ihnen und selbst die wurde schließlich bis auf das Existenzminimum gepfändet. Herbert war herz- und zuckerkrank, Omma psychisch labil und depressiv, beide mit ihren Kräften am

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