Die Zusammenkunft
mit Abstand, ohne Angst. Eine Welle des Begehrens erfasste sie und das Wissen, jetzt bist du mein, ich habe dich.
Die Augen kamen näher. Die Trauer war blankem En tsetzen gewichen und wurde plötzlich und unvermittelt von heißer Begierde ersetzt, die sie mit sich riss. So gern hätte sie ihre Beine gespreizt, so gern diese Augen ohne Körper zu sich herangezogen. Dann wurde es kalt, es wurde nass, sie fing an zu zittern und die feuchte Masse auf ihrem Gesicht, die so köstlich roch und klebrig an ihrer Stirn und den Wangen hing, verflüssigte sich, lief in ihre weit aufgerissenen Augen und färbte ihren Blick rot, rot wie Blut, ihr Blut. Sie zitterte, die Wärme verließ ihren Körper, als man sie packte. Sie wollte schreien, aber da drang auch schon eine vertraute, warme Stimme an ihr Ohr.
»Sirona, Kind, willst du nicht ins Haus kommen? Es regnet. Ich dachte, du wärst schon längst im Bett!«
Sie blinzelte und erkannte ihre Mutter, die sich über sie gebeugt hatte in ihrem langen Nachthemd, den Hund unter den Arm geklemmt. Es regnete, es war windig und der erste Blitz zuckte über den Himmel.
Es war bereits nach Mitternacht, als sie sich mit ihrem noch immer schmerzenden Knie langsam die Treppe hi nauf schleppte, sich die Hüfte rieb und versuchte, das Gefühl der Leere, die der Traum in ihrem Herzen hinterlassen hatte, zu begreifen. So war es immer, wenn sie diesen Traum hatte. Immer. Seit so vielen Jahren schon. Wem gehörten diese Augen, woher kam das Gefühl von Macht über ihren Besitzer, woher die ungezügelte Lust?
Am nächsten Morgen wäre sie am liebsten liegen g eblieben, aber Robert würde in einer Stunde kommen, um sie abzuholen, und da er so stolz auf sein neues Cabrio war, war es auch von Anfang an klar gewesen, wer von beiden fahren würde.
Sirona räkelte sich. Sie war müde, aber es ging ihr e igentlich ganz gut. So konnte es bleiben. Wenn sie ihre kleine Welt in Ordnung wusste, die sie schützen und kontrollieren konnte, was wollte sie dann mehr. Der Rest der Welt durfte ihr dann gerne gestohlen bleiben. Der hatte nichts, aber auch gar nichts mit ihr zu tun.
B en war schon seit gestern in Mexiko und hatte immer noch nichts erreicht. Der Investor, für den seine Firma warb, war ein schwieriger Fall. Doch er hatte ihn durchschaut. Er durfte jetzt nur nicht zu schnell nachgeben, sonst würde der Kerl immer wieder nachfordern. Er musste ihm einfach das Gefühl geben, dass er an Grenzen stieß; und dann, dann hatte er ihn. Schließlich war er einer der Besten in seinem Geschäft und deshalb schickte seine Firma ihn auch immer zu den schwierigsten Kunden.
Ben lief durch die Stadt und sah sich die Auslagen an. Die Sonne war schon untergegangen und langsam kr ochen die Ratten aus den Löchern. Huren und Jünglinge boten ihre Körper an, an jeder Ecke wurden Glücksspiele angeboten, und es roch nach Schnaps. Er verabscheute diese Art von Geschäften.
Ben entdeckte sie schon von Weitem, wie sie an der Mauer stand und versuchte, einen Freier auf sich au fmerksam zu machen. In ihrem Gesichtsausdruck erkannte er dasselbe, wie so oft: Hunger und Not. Sie musste noch verdammt jung sein, aber ihr Alter ernsthaft zu schätzen, war unmöglich, denn dazu hätte man wissen müssen, wie lange sie schon auf der Straße lebte.
Ein Freier stand neben ihr und redete auf sie ein, dann schlug er ihr mit der Faust mitten ins Gesicht und trat nach ihr. Ben blieb die Luft weg. Durch den Fausthieb sackte sie zusammen und blieb auf der schmutzigen Str aße im Dreck liegen. Ben sah sich um, niemanden kümmerte es, dass diese junge Frau in ihrem eigenen Blut lag.
Er lief hinüber, beugte sich zu der verletzten Frau hinab und blickte in weit aufgerissene, aber wunderschöne braune Augen. Augen, die trotz des harten Lebens ihren Glanz nicht verloren hatten und leise von Hoffnung sprachen und von einem Traum. Augen, die voller Tränen waren.
Ben dachte nicht nach, er reagierte nur. Er winkte ein Taxi herbei und musste den Fahrer mit einem 100-Dollar-Schein bestechen, der seine Wirkung nicht verfehlte. Erst dann durfte er das blutende Mädchen auf den Rücksitz schieben und einsteigen. Ben sprach kein Wort, hielt sie nur fest und ließ sich bis zum nächsten Krankenhaus fahren. Im Krankenhaus wollte man sie erst nicht behandeln und Ben war froh, dass er im Ausland immer genügend Bargeld bei sich trug. Er wartete vor der Tür, bis der behandelnde Arzt aus dem Zimmer trat und auf ihn zukam: »Sie ist nicht schwer
Weitere Kostenlose Bücher