Die Zusammenkunft
Dann brannte die Seite. Sie holte tief Luft, lächelte Robert an und setzte sich aufrecht hin, um den eventuell noch nachfolgenden Stich besser abfangen zu können. Unruhe beschlich sie, aber sie lächelte weiter. Im Orchestergraben stimmten die Musiker ihre Instrume nte, kurz darauf wurde das Licht gedimmt und der Saal unter ihr tauchte in goldene Dunkelheit, als der Vorhang sich öffnete.
Es dauerte nicht lange, da fühlte sie sich beobachtet. Ihre Unruhe stieg, ihr Puls wurde schneller, ihre Seite brannte. Es war ein unangenehmes Gefühl, und es lenkte sie von der Bühne ab. Sie blickte zu Robert hinüber, aber seine Aufmerksamkeit galt der Musik. Sie wollte sich gerade wieder auf die Bühne konzentrieren, als neben Roberts Gesicht etwas aufleuchtete, etwas Blaues. Es waren Augen, Augen, die zu leuchten schienen, und sie waren direkt auf sie gerichtet, direkt auf ihre eigenen Augen. Ein Zischen entwich ihren blutrot geschminkten Lippen, Roberts Kopf schnellte herum und er beugte sich vor, genau vor ihr Sichtfeld und schob sich damit zwischen sie und den Blick des Fremden in der Nachbarloge.
»Was ist, geht’s dir nicht gut?«
Sie blinzelte und flüsterte: »Es ist so schön, ich wollte danke sagen!«
Er lächelte, tätschelte ihre Hand und wandte sich wi eder um.
Die Augen waren verschwunden. Sie versuchte sich zu beruhigen, aber ihr Körper schien unentwegt Warnsignale auszusenden. Obwohl sie versuchte, sich auf die Oper zu konzentrieren, huschte ihr Blick ständig zur Nachbarloge zurück. Sie hatte nur Einblick in den vorderen Bereich, der hintere lag im absoluten Dunkel. Um ihren Herzschlag zu beruhigen, begann sie, leise Atemübungen zu machen. Als sich der Vorhang zur Pause senkte und die Lichter langsam wieder heller wurden, erhob sich Sirona und beugte sich dabei unauffällig vor, doch die Loge neben ihrer war leer. Allerdings konnte sie noch erkennen, wie die Tür ins Schloss fiel. Sie sprang auf und stürzte hinaus. Robert folgte ihr und hielt sie am Ärmel fest. »Was ist los?«
Sie drehte sich um und schaute ihn an, dann wurde sie ganz ruhig »Oh, sorry, aber ich muss dringend zur Toilette. Kannst du uns ein Glas Weißwein besorgen?«
Er nickte verwirrt, ging dann aber auf die überfüllte Bar zu. Sie drehte sich um, doch außer den geschlossenen Logentüren konnte sie nichts entdecken. Was hatte sie denn erwartet, dort zu entdecken? Einen Vampir oder einen Werwolf?
Auf der Damentoilette hockte sie sich auf die geschlossene Toilettenschüssel und versenkte ihren Kopf in den Händen. Da war wieder der Schmerz, das Brennen an ihrer Seite. Sie spürte, wie ihre Körpertemperatur anstieg, obwohl das Kleid, das sie trug, alles andere als warm war. Sie stand auf, streckte sich, zog sich zusammen, streckte sich, zog sich zusammen. Ihr Herz raste jetzt so, dass sie hätte schwören können, sie hätte gerade einen Herzinfarkt. Ihren Arzt würde sie in den Arsch treten, wenn sie wieder zu Hause war. Wenn sie je wieder nach Hause kam. Ihr Atem wurde schwerer, ihre Hände begannen zu zittern. Die Panik stieg, sie sah die ersten Blitze vor ihren Augen, sie wollte schreien, die Enge der Toilettenkabine schien sie zu erdrücken.
Sie öffnete den Mund, die Augen traten hervor und dann … war alles vorbei.
Sironas Herz schlug ruhig und sanft, ihr Atem ging ruhig, ihre Hände hatten aufgehört zu zittern. Sie stand ganz ruhig da und starrte verblüfft auf ihren Körper. Dann holte sie noch einmal tief Luft, betätigte die Toilettenspülung, wartete und betrat dann den Waschraum.
Vor dem Spiegel zog sie sich die Lippen nach und p uderte sich die Nase. Ihre Wangen waren gerötet, das einzige Anzeichen ihrer Panikattacke, denn etwas anderes konnte das nicht gewesen sein.
Noch etwas unsicher verließ sie den inzwischen leeren Waschraum und schloss die Tür mit einem festen, g eräuschlosen Druck.
Sie hatte die Hand noch auf der vergoldeten Türklinke, als sie ein Brennen auf der nackten Haut ihrer linken Schulter spürte. Ganz langsam drehte sie den Kopf, scha ute sich vorsichtig um und sah ihm direkt ins Gesicht, direkt in seine tiefen, dunklen, blauen Augen. In ihnen lagen Entsetzen, Verwunderung und Wissen.
Ihr Blick glitt über seinen riesigen Körper, seine la ngen, unordentlichen Haare. Ein Typ wie aus einem Hochglanzmagazin, wären da nicht diese Augen gewesen, die sie nach wie vor fixierten.
»Hey, Sirona, da bist du ja endlich, ich habe dich g esucht. Es geht gleich weiter, und die Getränke
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