Die Zusammenkunft
dürfen nicht mit in die Loge genommen werden, also bitte, beeil dich.« Wieder schob sich Roberts Kopf zwischen dieses Augenpaar und sie. Sie schnappte nach Luft.
»Was ist? Du siehst scheiße aus, Baby!«
Na prima, jetzt war sie nicht nur verwirrt, sondern mit diesem Kompliment auch ihres Selbstbewusstseins beraubt. Sie nahm Robert das Glas Wein aus der Hand, leerte es in einem Zug, als ob es Wasser gewesen wäre, klammerte sich an seinen Arm und stöhnte: »Muss dieser verdammte Fisch sein, mir dreht sich gerade der Magen um. Jetzt wollte ich mal mit dir einen schönen Abend verbringen und dann so was.« Sie sah aus dem Augenwinkel, wie Roberts Augen erst kurz vor Freude aufblitzten, und dann sofort enttäuscht ihren Glanz verloren.
»Soll ich dich ins Hotel bringen?«
»Nein, ich lass mir doch die Oper nicht von so einem blöden Fisch verderben, komm hilf mir, dann halte ich es bis zum Ende aus.«
Als sie sich setzte, schweifte ihr Blick wieder zurück in die Loge, aber sie schien leer zu sein. Sirona lehnte sich zurück und wurde den Rest des Abends die ungewöhnl ichen Augen des Fremden nicht mehr los. Verdis »Nabucco« brach vom Blitz getroffen zusammen, um wie immer wieder aufzuerstehen. Der Beifall war bombastisch, sie aber bekam kaum noch Luft und wollte raus. Robert war schon immer sehr aufmerksam gewesen, ein Blick in ihr Gesicht genügte und er bat sie, sitzen zu bleiben, während er die Mäntel holte. Kurz darauf saßen sie im Taxi Richtung Hotel.
Die frische Luft tat ihr gut. Im Hotel brachte er sie zu ihrem Zimmer und ließ verlauten, dass er in der Bar sei, wenn sie etwas benötige n sollte. Sie könne ihn jederzeit über das Handy erreichen, egal wie spät es war. Sie dankte ihm, trat in ihr Zimmer und verschloss die Tür.
Dann öffnete sie die wandhohen Fenster weit und trat auf die Terrasse heraus. An der Seite befanden sich St ufen, über die man auf den Rasen hinaustreten konnte. Das Gelände war weitläufig und im Hintergrund endete es in einem mit kleinen Bäumen bepflanzten Beet. Sie musste sich jetzt bewegen, das spürte sie genau. Also kickte sie schwungvoll die Schuhe von den Füßen, stieg die Treppe hinab und betrat barfuß den Rasen.
Kaum berührten ihre Füße das feuchte Weich, da raffte sie das Kleid und rannte los. Wenigstens bis zu den Bä umen und zurück, dachte sie, das müsste reichen, um wieder klar denken zu können. Sie kam bis zur zweiten Baumreihe, dann musste sie sich an einem Stamm abstützen. Sie war noch nie eine gute Läuferin gewesen, ihr Knie, ihre Hüfte, ihr Körper spielten nicht mit. Sie schnappte nach Luft. Gott, tat das gut! Sie starrte auf den Boden, um langsam wieder ruhiger atmen zu können, als ihr Blick auf ein paar sehr große, schwarze Lederschuhe fiel, die genau hinter ihr standen.
Reflexartig schoss sie nach vorne und drehte sich um die eigene Achse. Beim Anblick der dunklen, blauen A ugen machte ihr Herz einen Satz.
Der Schrei, den sie ausstieß, war nicht laut, aber es fehlte ihm auch nicht an Schärfe und er signalisierte A ngriff. Sekundenlang standen sie sich gegenüber. Himmel, der Kerl war riesig, mindestens zwei Meter, und sein Kreuz war mindestens doppelt so breit wie das von Robert. Sie war sich niemals klein und schwach vorgekommen mit ihren eins fünfundsiebzig, aber jetzt fühlte sie sich winzig. Dann machte er den Fehler und ging einen Schritt auf sie zu.
Blitzschnell kehrte sie ihm den Rücken zu, stieß mit voller Kraft ihren Ellenbogen zurück und traf ihn unte rhalb des Rippenbogens. Er keuchte und krümmte sich. Sie nahm ihre beiden Hände, verschränkte die Finger zu einer großen Faust, drehte sich mit ausgestreckten Armen um ihre eigene Achse und schlug ungebremst mit fest verschlossener Faust in sein Gesicht, noch bevor er sich aufrichten konnte.
Sie musste nicht denken, sie wusste, dass er gefährlich war, sie hatte es die ganze Zeit in der Oper gespürt. Als sie zum nächsten Schlag ausholte, diesmal auf die ung eschützte Stelle seines Nackens, hatte er sich bereits vom Überraschungsmoment erholt, stürmte in gebückter Haltung auf sie zu und riss sie mit sich zu Boden. Seine Faust traf ihre rechte Gesichtshälfte.
Tränen schossen ihr in die Augen, sie stürzte zu Boden und er fiel auf sie. Die Luft entwich ihren Lungen, sie rang nach Atem und riss den Kopf hoch, um ihm wenig stens mit der Stirn vorher noch die Nase zu brechen. Es gab ein hässliches Geräusch und warmes Blut, sein Blut, tropfte ihr ins
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