Die Zusammenkunft
brachte sie noch ein letztes Wort heraus: »Verdammnis!« Dann bäumte sich ihr Körper auf, der Schmerz in ihrer Brust, als ihr Herz aufhörte zu schlagen und sich zusammenzog, war unmenschlich.
Sie krampfte zusammen, griff sich an die Brust, hörte auf zu atmen … Sie spürte einen Schlag ins Gesicht, spü rte, wie sie gerüttelt und geschüttelt wurde, und dass ihr Kopf auf ihrem Hals tanzte, wie der einer ausgeleierten Puppe.
»Sirona! Sirona! Komm, komm zu dir, atme … mach den Mund auf und atme!«
Sie schnappte gierig nach Luft – und öffnete die Augen.
In Pauls Blick stand Angst, eine Angst, die voller Wärme war –Angst, sie zu verlieren. Ihr Kopf sackte nach vorne, blieb auf seiner Brust liegen, wodurch sie seinen starken, aber auch viel zu schnellen Herzschlag spürte.
»Paul, ich habe Angst, den Verstand zu verlieren.«
»Nein, das tust du nicht und ich bleibe bei dir, bis es dir wieder besser geht, vertraue mir.«
»Warum sollte ich dir vertrauen?«
»Schalte deinen Kopf aus.« Er war vom »Sie« einfach ins »du« übergegangen, aber das war ihr gleichgültig. Er hielt sie noch eine Weile fest an sich gedrückt. Dann legte er sie vorsichtig wieder zurück auf ihr Bett und deckte sie zu.
Er musste sie an den Armen aus dem Bett gerissen haben. Warum? Es war doch nur ein Traum gewesen! Ihre Oberarme schmerzten leicht vom Druck seiner Hände. Erschöpft schloss sie die Augen. Nach einer Weile hörte sie, wie er leise das Zimmer verließ.
***
Nachdem Paul die Tür hinter sich geschlossen hatte, setzte er sich aufs Bett, wartete noch eine halbe Stunde, ging dann wieder zu ihr hinüber, um sich davon zu überzeugen, dass sie wieder eingeschlafen war. Er war jetzt froh darüber, dass er bereits gestern die Entscheidung weitergegeben hatte, nicht mit ihr nach Italien zu fliegen.
Keine weitere Nacht wollte er riskieren, in der er vie lleicht zu spät kommen würde und nicht mehr ausreichend eingreifen könnte.
E s war erst fünf Uhr früh, aber Sirona lag schon wach. Sie dachte über die letzte Nacht nach; ob sie den Verstand verlor? Dann versuchte sie Verbindungen zu knüpfen, zwischen Claires Worten, ihrem Traum und der selbstverständlichen Anwesenheit von Paul.
»Schalte deinen Kopf aus!« , hatte er ihr geraten. »Du versteckst deine Wahrnehmung, wenn du den Kopf einschaltest«, meinte Claire. »Du trägst das Wissen in dir, die zweite Seite des Ganzen zu sein, des Unvergänglichen und des Wiedersehens!«
Die Bilder der ersten Rückführung kamen ihr in den Sinn. Ein Grab, viel Efeu, ihr Grab, ein Mann vor dem Grab, die Trauer, er zerbrach an ihrem Tod. Der Mann hatte dunkles, gewelltes Haar, und seine Trauer war schier unfassbar. Aber sie hatte nicht seine Augen sehen können.
Sie dachte über Paul nach, der nun ihr Vertrauen gewonnen hatte. Paul hatte niemals den Eindruck in ihr erweckt, dass er sie sexuell begehrte, und er hatte nie einen Ton über die vorletzte Nacht verlauten lassen. Sie war sich sicher, dass er auch das, was letzte Nacht geschehen war, für sich behalten würde. Wenn sie nur endlich begreifen würde, was genau geschehen war.
Um halb sieben stand sie auf, ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche. Deutlich länger als sonst blieb sie unter dem viel zu heißen Strahl stehen, cremte ihren Körper ein, bürstete die blonden kurzen Haare und föhnte sie sich. Sie reinigte noch oberflächlich das Bad, dann packte sie die letzten Dinge in ihre Tasche. Es sollte heute warm werden.
Sie zog sich einen hübschen weißen Spitzen-BH und einen Hauch von weißem Stringtanga an, dazu eine sehr leichte, hellbeige Leinenhose im lockeren Cargostil, dar über ein einfarbiges Khaki-T-Shirt. Sie liebte es schlicht. Wenn sie sich streckte, sah man ihren Bauchnabel. Es war ihr auch bewusst, dass die Hose so dünn war, dass ihr Tattoo auf der linken Seite ihres Gesäßes durchschimmern musste. Wenn sie früher darauf angesprochen worden war, war sie beschämt gewesen. Heute war sie stolz darauf, denn wenn sie eines nicht bereut hatte, dann war es dieses Tattoo, das sie sich erst mit dreiunddreißig Jahren hatte stechen lassen. Es war also alles andere als eine Jugendsünde. Und sie fand es sexy.
Als sie die Treppe hinunterkam, hatte Omma schon den Tisch gedeckt und fragte: »Muss ich noch irgendwas beachten, während du weg bist?«
»Nein nichts, keine Termine oder so.«
Sirona ließ gerade einen Kaffee durch die Maschine laufen, als Paul die Treppe herunterkam.
»Guten Morgen,
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