Die Zwanziger Jahre (German Edition)
pausenlos Aufstellungen und Laufwege. Er steckt immer noch ganz tief in dieser Trainerdenke drin. Wenn er von einer Idee besessen ist, dann lässt er nicht locker. Das ist ja nun keineswegs eine negative Eigenschaft; die Nachwuchsarbeit im DFB hat von seiner Konsequenz profitiert. Doch bei den Bayern herrschen ja bekanntlich andere Gesetze. Da gibt es ein großes Hindernis, das einer erfolgreichen Tätigkeit des neuen Sportdirektors im Wege steht, und das heißt Uli Hoeneß.
Wenn zwei so starke, man könnte auch sagen dickköpfige, Persönlichkeiten aufeinanderprallen, kann das nicht gut gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Hoeneß es wirklich ernst meint, wenn er sagt, er wolle sich ganz ruhig auf die Tribüne setzen und »sehen, dass alles in Ordnung ist« in seinem Verein. Das kann der Mann doch gar nicht. Er muss sich nun mal in alles einmischen, was beim FC Bayern auf der operativen Ebene geschieht. Daran hat sich auch nichts geändert, seit er vom Managerposten auf den Präsidentenstuhl gewechselt ist. Christian Nerlinger musste das leidvoll erfahren.
Freunde waren wir nie, Uli Hoeneß und ich, aber viele Jahre lang pflegten wir doch ein respektvolles und faires Einvernehmen. Ich habe akzeptiert, dass er als Bayern-Manager in erster Linie die Interessen seines Klubs im Kopf hatte und sie bisweilen vehement vertrat. Im Wettskandal und beim Schaffen moderner Strukturen für den Profifußball haben wir gut zusammengearbeitet, da hat er mir auch bisweilen sehr geholfen.
Aber er scheint nicht verstanden zu haben, dass ihm als Präsident eine andere Rolle zukommt. Er hat seine Philosophie des Provozierens mit ins Präsidentenamt genommen. Das wird auch Matthias Sammer zu spüren bekommen, der ja seine Rolle in diesem Verein mit den vielen Besserwissern erst finden muss. Die Journalisten jedenfalls werden ihren Spaß haben, ihnen wird der Stoff nicht ausgehen. Auf wen sollen die Spieler hören, wenn sich ein allmächtiger Präsident Uli Hoeneß, ein starker und selbstbewusster Trainer Jupp Heynckes, ein meinungsfreudiger Vorstandschef Karl-Heinz-Rummenigge einer nach dem anderen äußern, möglichst zum selben Thema und wahrscheinlich alle mit unterschiedlichen Thesen. Dazu kommen die vielen ausgewiesenen Bayern-Experten im Umfeld, ob sie Oliver Kahn heißen oder Mehmet Scholl, Paul Breitner oder Stefan Effenberg. Ganz zu schweigen von Franz Beckenbauer. Der Zirkus FC Bayern wird weitergehen.
Ich halte Borussia Dortmund in der aktuellen Aufstellung für das bessere Modell. Da sind die Aufgaben und Zuständigkeiten klar verteilt, Einmischungen gibt es nicht. Trainer Jürgen Klopp hat die sportliche Verantwortung, an der keiner rüttelt, Präsident ist mit Reinhard Rauball ein honoriger Mann, der sich mit öffentlichen Äußerungen sehr zurückhält, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke glänzt als Finanzfachmann und konzentriert sich weitgehend auf diese Aufgabe, und Sportdirektor Michael Zorc weiß, was er kann und wann er sich zurücknehmen muss. Das hat ein Christian Nerlinger bei den Bayern auch gewusst, aber wenn der Präsident und alle möglichen anderen Fachleute dauernd reinreden, kann das nicht funktionieren.
Es ist wahr: Uli Hoeneß hat seinen Klub immer an der nationalen und internationalen Spitze gehalten. Nicht zuletzt um den Preis von so manchen spektakulären Fehlinvestitionen bei Spielern und Trainern. Aber der FC Bayern kann dies natürlich besser verkraften als die meisten anderen Vereine.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ich kenne und schätze auch die andere Seite des Uli Hoeneß. Er und sein Verein haben für St. Pauli, Erfurt und andere Vereine in wirtschaftlicher Not Freundschaftsspiele bestritten, die Bayern sind angetreten, um finanzielle Hilfe zu leisten, als die Oder und die Donau über ihre Ufer traten und große Schäden verursachten. Und wie kaum ein anderer Macher im Profifußball hat Uli Hoeneß sich um aktuelle oder ehemalige Spieler gekümmert, die Probleme hatten, die krank waren und denen geholfen werden musste. Dass Bayern München zu einem umfassenden sozialen Netzwerk geworden ist, darf sich Uli Hoeneß als sein Verdienst anrechnen.
Zurück zur Nachwuchsförderung.
Dass die deutsche Nationalmannschaft 2002 in Südkorea und Japan völlig überraschend Vizeweltmeister wurde, konnte mit den eingeleiteten Verbesserungen noch nichts zu tun haben. Das Team von Rudi Völler überzeugte nicht so sehr durch seine spielerische Qualität, wie wir es heutzutage immer
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