Die Zwanziger Jahre (German Edition)
es dem Herrn Klinsmann gefällt.
Im Februar 2006 musste sich Gerhard Mayer-Vorfelder einer Herzoperation unterziehen. Für einige Monate war meine präsidiale Zuständigkeit allumfassend. Jetzt durfte ich mich auch noch um die Nationalmannschaft kümmern, vier Monate vor dem WM -Beginn. Das kam absolut zur Unzeit, weil wir in der intensiven Vorbereitungsphase steckten, die viel Zeit und Kraft kostete. Aber es blieb mir nichts anderes übrig, als auch diese Herausforderung anzunehmen.
Und Jürgen Klinsmann hielt uns weiter auf Trab. Weil er offenbar in seinem Streben nach Erneuerung nie an ein Ende kommen konnte, belastete er das ohnehin gespannte Verhältnis zum DFB -Präsidium noch zusätzlich, indem er die Rolle der Delegation neu definierte. Früher hatten, wie geschildert, die Mitglieder der DFB -Delegation, vor allem ihr Leiter, eine gewisse Nähe zur Mannschaft. Klinsmann lieferte unglaubliche Vorschläge, wo die Delegation beim Essen zu sitzen hatte – jedenfalls nicht zu nah bei der Mannschaft. Teilweise artete die Diskussion in Kinderkram aus. Manchmal kannte Klinsmann wirklich keine Grenzen. Doch auch dieses Problem wurde letztlich gelöst. Die Funktionäre durften weiterhin in die Nähe der Mannschaft kommen, aber beim Essen durften Klinsmann und die Spieler unter sich bleiben.
Weltmeister, Reformator und Querdenker: Jürgen Klinsmann als Teamchef bei der WM 2006 (©Getty Images).
Eine besondere Herausforderung war dann allerdings sein Wunsch nach einem Sportdirektor. Mir gefiel die Idee, denn es war klar, dass ein Verband, dessen Produkt Millionen von Menschen nicht nur in Deutschland, sondern rund um den Erdball bewegt, sich auch durch Gesichter aus dem Sport darstellen muss. Zwar geht es nicht ohne Funktionäre, aber ein Funktionärsverband spricht die Fans nicht so an wie Persönlichkeiten mit einer ruhmreichen sportlichen Vita. Das gilt auch für die Nachwuchsförderung, der MV seit 2000 ein neues Profil gegeben hatte. Inhaltlich waren wir weitergekommen, auch wenn sich sichtbare Erfolge erst nach 2006 einstellten. Nun fehlte eine Persönlichkeit, die das Konzept glaubwürdig vertreten konnte. Deshalb war ich für einen solchen Sportdirektor. Andererseits mussten wir auch auf die Finanzen schauen und durften den DFB -Apparat nicht zu sehr aufblähen.
Und natürlich hat uns Jürgen Klinsmann gleich auch einen Personalvorschlag präsentiert. Es war Bernhard Peters, der erfolgreiche Trainer der Hockey-Nationalmannschaft. Ich hegte für diesen Vorschlag eine gewisse Sympathie, denn auch der Fußball kann von den Erkenntnissen und Erfahrungen anderer Sportarten nur lernen. Doch mir war auch bewusst, dass eine solche Lösung zu Konflikten führen würde. Einem starken Verband wie dem DFB ausgerechnet in der Trainerausbildung einen Quereinsteiger zuzumuten, das belastete das Establishment und erlegte dem neuen Mann zu viel Druck auf, auch in den Medien.
Mein Favorit für den Posten des Sportdirektors war ein ganz anderer: Hans Meyer, ausgebildet und Erfolgscoach in der damaligen DDR , der für mich durch seine erfolgreiche Tätigkeit bei »meinen« Mönchengladbachern zu einer Art Lieblingstrainer geworden war. Hans Meyer ist ein ehrlicher Mensch. Unvergesslich unser Gespräch in der Bibliothek des DFB , als er nach einer gewissen Bedenkzeit zu Horst R. Schmidt und mir sagte: »Ich bin für diesen Job zu alt. Als Sportdirektor des DFB muss man sich gewiss acht Jahre auf eine Aufgabe konzentrieren. Das ist mit mir Fußball-Rentner nicht mehr zu machen.« Er war damals dreiundsechzig, und das mit seinem Rentnerdasein war maßlos übertrieben, denn später wurde er mit dem 1. FC Nürnberg immerhin noch mal Pokalsieger und rettete die Gladbacher ein weiteres Mal vor dem Abstieg.
Dann kam Matthias Sammer ins Spiel. Er war ein großartiger Spieler, hatte 1996 maßgeblichen Anteil am EM -Titel unserer Nationalmannschaft in England und war als junger Trainer mit Borussia Dortmund Meister geworden. Er galt als ein Mann mit Ehrgeiz und Kompetenz – in meinen Augen der richtige Mann für den DFB . Aber Klinsmann und Co. wehrten sich heftig. Es durfte ja nicht sein, dass sie zum ersten Mal eine Schlacht mit dem DFB verloren.
Peters gegen Sammer wurde zum Lieblingsspektakel der Journalisten, auch weil viele spekulierten, in Wirklichkeit schiele Sammer auf das Amt des Bundestrainers und warte nur auf die Gelegenheit, Klinsmann abzulösen. Doch ich spürte, dass er es sehr ernst meinte, dass es ihm nicht um den
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