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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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das Amt anzuvertrauen erwies sich jedenfalls als Fehlschlag, wie die Europameisterschaft 2000 zeigte. Und das Theater, das es 2004 um die Nachfolge von Rudi Völler gab, habe ich ausführlich geschildert. Diese schwierigen und teilweise glücklosen Entscheidungen haben auch dem jeweiligen Präsidenten in der öffentlichen Wahrnehmung selten gutgetan. Viele Zeitungen lieben nichts mehr als ungeklärte Situationen, in denen sie wild drauflosspekulieren können.
    Diese Gedanken gingen mir am Freudenabend des kleinen WM -Finales durch den Kopf. Natürlich war mein Blick auf Joachim Löw gerichtet. Er hatte bewiesen, dass er ein großartiger Trainer ist. Ich wusste aber auch, dass er zu gemeinsamen Stuttgarter Zeiten mit seinem damaligen Vereinspräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder nicht immer im Einvernehmen war. MV amtierte noch bis September, die Entscheidung über einen Klinsmann-Nachfolger ohne ihn zu treffen wäre sicher nicht klug gewesen.
    Ich erinnerte mich an ein Gespräch, das ich vor der WM während MV s Krankheit mit Joachim Löw führte, als es in der deutschen Öffentlichkeit um das Ansehen von Klinsmann besonders schlecht stand. Löw bat mich um ein Vieraugengespräch und sagte: »Es gibt für einen Nationaltrainer, gerade vor einer so großen Herausforderung wie dieser WM , nichts Wichtigeres als das Vertrauen des Präsidenten. Jürgen Klinsmann braucht dieses Vertrauen, und er wird es zurückzahlen. Die Mannschaft wird glänzend vorbereitet in das Turnier gehen und den deutschen Fußball gut vertreten. Stützen Sie den Bundestrainer!« In diesem Gespräch hatte sich meine Wertschätzung für Joachim Löw noch einmal bestätigt.
    Sollte also Joachim Löw Bundestrainer werden? Spät in der Nacht in Stuttgart im Hotel sprach ich mit unserem Torwart Jens Lehmann, der einen besonders guten Draht zu Jürgen Klinsmann hatte. Lehmann konnte mir auch nicht sagen, wie Klinsmann sich entscheiden würde, doch er riet mir eindringlich: »Wenn er geht, dann nehmen Sie Jogi Löw. Dieser Mann wird für den deutschen Fußball ein weiterer Glücksfall sein.«
    Ein Volltreffer: Vorstellung des neuen Bundestrainers Joachim Löw ( ©GES/Augenklick).
    Klinsmann hatte versprochen, MV und mich sofort zu informieren, wenn er seine Entscheidung getroffen hatte. Der Anruf kam am Dienstagnachmittag. Er teilte uns mit, dass er seine Arbeit beim DFB nicht fortsetzen wolle und jetzt erst mal ein paar Tage Urlaub mit seiner Familie geplant habe. Ich hakte sofort ein: »Mein lieber Jürgen, Sie fahren jetzt nicht in Urlaub. Wir müssen noch heute Ihre Nachfolge regeln, das sind Sie dem deutschen Fußball und auch mir persönlich schuldig. Ich gehe davon aus, dass Ihre Vorstellungen mit meinen übereinstimmen – mein Vorschlag lautet Joachim Löw.«
    Er war sofort einverstanden. Wir trafen uns am selben Abend in einem Stuttgarter Hotel – Klinsmann, Löw, Oliver Bierhoff, Wolfgang Niersbach und ich, ein Rechtsanwalt war auch dabei. MV hatte ich noch nicht informiert, weil sich unsere Entscheidung nicht noch einmal um ein paar Tage verzögern sollte. Ich wollte unbedingt an diesem Abend ein Ergebnis. Denn eins war klar: Wenn wir keinen neuen Bundestrainer präsentieren konnten, würden am nächsten Tag die Spekulationen beginnen, alle möglichen Kandidaten durchs Dorf getragen, und wir hätten nicht mehr die Freiheit der Wahl. Es waren harte Verhandlungen, aber schließlich einigten wir uns und verfassten gemeinsam ein »Memorandum of Understanding«, das die wichtigsten Eckdaten festhielt.
    Ich fuhr noch in der Nacht zurück, weil ich nicht wollte, dass die Präsidiumskollegen aus der Zeitung erfuhren, was passiert war. Am nächsten Tag bat ich zur Pressekonferenz, an der natürlich auch Gerhard Mayer-Vorfelder teilnahm, und wir informierten die Öffentlichkeit über unsere Entscheidungen. Wir hatten also nach Jürgen Klinsmanns Rücktritt noch am selben Abend die Nachfolge geregelt und das Ganze tags darauf öffentlich verkündet. Auf diese Leistung bin ich heute noch stolz. Und auch darauf, dass Joachim Löw in den Jahren von 2004 bis2012 , in denen ich die Ehre hatte, dem DFB als Präsident vorzustehen, der einzige Trainer gewesen ist. Sein Vertrag läuft bis2014 , und er wird dem deutschen Fußball weiterhin guttun. Was aufgebaut wurde, ist nicht allein sein Verdienst, weil ihm auch die verbesserte Nachwuchsförderung zugutekam, aber was er in akribischer Kleinarbeit und auch an Teamplay mit dem Verband einbrachte, das ist

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